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Wenn das Wetter den Stoffwechsel stört

Auch Pflanzen haben Stoffwechselstörungen!

Pilzkrankheiten, Viren, Bakterien und tierische Schaderreger infizieren Früchte und Obstgehölze. Welche Schäden sie verursachen, ist vielen Freizeitgärtnerinnen und -gärtnern bekannt. Anders ist das bei Symptomen, die nicht von schädlichen Erregern stammen, sondern physiologische Ursachen haben. Durch den Klimawandel kommen diese verstärkt vor.

von Hubert Siegler, B ayerische Gartenakademie erschienen am 05.06.2024
Durch Röteln können viele Kirschen für die Ernte verloren gehen © Theresa Petsch
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Unter physiologischen Störungen versteht man komplexe “Störungen im normalen Stoffwechsel der Frucht, die zum Verbräunen und Absterben von Gewebeteilen sowie zu Geschmacksveränderungen der Früchte führen können“ (Streif, 1992). Bekannt ist die Stippe bei Äpfeln, die kleine, braune, leicht eingesunkene Flecken auf der Schale hervorruft. Das Fruchtfleisch darunter weist zimtbraune Stellen mit abgestorbenem Gewebe und Fremdgeschmack (englisch: bitter pits) auf.

Stippe wird durch Kalziummangel in der Frucht verursacht. Lange Trockenphasen während des Fruchtwachstums fördern das Auftreten. Vor allem aber führen massive Schnittmaßnahmen und unsachgemäßes Einkürzen („Stutzen“) der Kronen mit entsprechend starker und Kalzium bindender Neutriebbildung zu diesem Nährstoffungleichgewicht.

Stippe wird durch Kalziummangel in der Frucht verursacht. Hubert Siegler

Auch die Sorte nimmt Einfluss, was sich dann zeigt, wenn auf demselben Grundstück bei gleicher Pflege und Bedingungen nur ein Teil der Sorten diesen Schaden aufweist. Ein ausführlicher Beitrag zur Stippe und Gegenmaßnahmen ist in Obst&Garten 06/2024 erschienen.

Glasige Äpfel

Glasige Äpfel entstehen bei langanhaltend intensiver Sonneneinstrahlung in den Wochen vor der Ernte
Glasige Äpfel entstehen bei langanhaltend intensiver Sonneneinstrahlung in den Wochen vor der Ernte © Hubert Siegler

Auch die Glasigkeit gewisser Apfelsorten zählt zu den physiologischen Schäden. Diese Störung im Zuckerstoffwechsel tritt als Folge langanhaltend intensiver Sonneneinstrahlung in den Wochen vor der Ernte auf. Eine daraus resultierende stärkere Zuckerbildung und -einlagerung führt zu einem erhöhten osmotischen Druck, in dessen Folge Zellen platzen. Zellsaft dringt dann in die Zwischenräume des Fruchtfleisches ein. Beim Aufschneiden zeigt es sich atypisch, glasig, fest und um das Kernhaus verstärkt. Es schmeckt etwas gegoren und alkoholisch.

Zu späte Ernte, geringer Fruchtbehang und ein unharmonischer Nährstoffhaushalt fördern das Auftreten dieser Störung. Besonders betroffen sind zudem (sehr) süße Sorten wie ‘Alkmene’, ‘Cox Orange’, ‘Boskoop’, ‘Gloster’, ‘Goldparmäne’, ‘Fuji’, ‘Jonagold’, ‘Pinova’, ‘Jakob Fischer’ und ‘Jakob Lebel’. Daher sollte bei diesen Varietäten knapp reif in mehreren Pflückgängen geerntet werden. Außerdem beugt ein ausgewogenes Blatt:Frucht-Verhältnis durch mittleren Fruchtbehang und ausgeglichenes Triebwachstum vor. Durch Stoffwechselvorgänge während der Lagerung kann sich diese Störung ganz oder teilweise rückbilden.

Mängel durch falsche Erntetermine

Durch zu späte Ernte erscheinen diese Äpfel der Sorte ‘Topaz’ fettig
Durch zu späte Ernte erscheinen diese Äpfel der Sorte ‘Topaz’ fettig © Hubert Siegler

Eine zu späte Ernte kann bei manchen Apfelsorten auch zu fettiger Fruchtschale führen – z.B. bei ‘Jonagold’, ‘Jakob Fischer’, ‘Topaz’. Nicht optimale, also zu warme und zu trockene Lagerbedingungen verstärken die Fruchtschäden (welkes Obst, weiches, mürbes Fruchtfleisch) und verkürzen die Lagerdauer. Bei zu früher Pflücke schmecken Äpfel und Birnen dagegen grasig und fad, ohne die typischen Sorten- und Aromaeigenschaften.

Die von außen nicht sichtbare Fleischbräune tritt als nichtparasitäres Schadbild vor allem an Quitten auf. Als Ursachen dafür kommen eine zu späte Ernte (mit Kälteeinwirkungen der Früchte noch am Baum) und eine zu hohe Stickstoffaufnahme ab August infrage. Wenn es nach längerer Trockenheit stark regnet, setzen die feuchten Böden erhöhte Mengen Nährstoffe frei: vor allem Stickstoff bei gleichzeitig auftretendem Kalziummangel. Braunes Fruchtfleisch kann verarbeitet werden, besitzt jedoch nicht alle wertgebenden Inhaltsstoffe einer reifen Quitte und kann Fremdtöne im Produkt enthalten.

Bei einer Sortendemonstration an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) Veitshöchheim erwiesen sich die Sorten ‘Muskatnaja’, ‘Champion’, ‘Triumph’, ‘Krymska’, ‘Ispolinskaja’, ‘Cydopom’ und ‘Limon Ayvasi’ als nicht oder nur gering anfällig für Fleischbräune. Wir konnten auch feststellen, dass bei verspäteter Pflücke das Ausmaß bei sensiblen Sorten wie ‘Portugieser’, ‘Vranja’, ‘Cydora’, ‘Lescovacz’, ‘Ronda’, ‘Bereczki’ zugenommen hatte.

Anomalien im Fruchtfleisch von Steinobst

Bei späten Pflaumensorten wie ‘Hauszwetschge’, ‘Ortenauer’, ‘Elena’, ‘Toptaste’ und Mirabellen steigt die Gefahr für Halswelke. Hier finden sich im oberen Drittel der Frucht zum Stiel hin leichte, zur Vollreife dann deutliche Eindellungen. Durch kleine Mikrorisse findet an diesen Stellen eine höhere Transpiration statt. Über den Fruchtstiel kann nicht mehr genügend Wasser nachgeliefert werden. So schrumpeln diese Teile der Frucht ein, sind welk, weich, aber dennoch verzehrfähig. Tritt die Erscheinung spät, erst kurz vor der Vollreife auf, dann schmecken die Früchte sogar sehr süß; hingegen bei frühzeitigem „Befall“ grasig, säuerlich und fad. Die Störung tritt jahresbedingt unterschiedlich stark auf. Heißes Wetter mit geringer Luftfeuchtigkeit fördert das Auftreten.

Tritt die Halswelke erst kurz vor der Vollreife auf, schmecken die Früchte sogar sehr süß. Hubert Siegler

Im Fruchtfleisch von (großfruchtigen) Zwetschgen können sich infolge bestimmter Witterungseinflüsse bei manchen Sorten Hohlräume – sogenannte Kavernen – ausbilden. Das nicht mit dem Stein verwachsene Fruchtfleisch besitzt rötlich gefärbte, zuweilen grießige Partien. Ursache ist ein stockendes Wachstum mit Wachstumsschüben des jungen Fruchansatzes, was auch zu gebrochenen Steinspitzen führen kann.

Platzende Früchte

Nach Trockenheit und anschließenden starken Regenfällen platzen häufig die Früchte auf. Meist geschieht dies kurz vor der Ernte, bei sensiblen Sorten aber durchaus schon in unreifem Stadium. Bereits der direkte Schaden führt bei Kirschen zu erheblichen Fruchtausfällen. Eindringende Fäulniserreger verursachen weitere Ertragsverluste. Betroffen sind insbesondere sehr festfleischige, großfruchtige und zuckerreiche Süßkirschen. Die weicheren Sauerkirschen, aber auch die sehr zuckerreichen Mirabellen, Hauszwetschgen und die späte Sorte ‘Presenta’ reißen hingegen nur bei Extremniederschlägen zur Zeit der Vollreife auf.

Wurde vor dem Starkregen nicht oder nur ungenügend bewässert, verstärkt sich die Problematik, weil die Wurzeln nun plötzlich viel Wasser aufnehmen. Dies kann selbst im professionellen Obstbau unter einer Regenüberdachung passieren, da die Niederschläge in die Fahrgassen fließen, die zugleich Wurzelzonen sind. Eine weitere Ursache ist die Wasseraufnahme über die Fruchthaut zum Ausgleich des osmotischen Drucks, der im Inneren des Obstes deutlich höher ist. Die Zellen vergrößern sich bei zu geringer Dehnungsfähigkeit der Kutikula.

Gummifluss als Frostfolge

Gummifluss kann eine Folge von Verletzungen durch ungünstige Witterung sein
Gummifluss kann eine Folge von Verletzungen durch ungünstige Witterung sein © Theresa Petsch

Zuweilen quillt aus Stämmen und (dickeren) Ästen von Kirschen, Aprikosen, Pfirsichen, Zwetschgen und Pflaumen in großen Tropfen oder Batzen ein heller bis bernsteinfarbener, gummiartiger und später fest werdender Schleim hervor. Dieser sogenannte Gummifluss besteht aus aufgelösten Gewebestrukturen, welche die Leitungsbahnen verstopfen. In der Folge können Äste und, bei starkem Befall an sehr vielen Stellen, später auch der gesamte Baum absterben.

Schaderreger wie Bakterienbrand und Triebmonilia können die Störung auslösen, meist sind es aber abiotische Ursachen wie

  • Frostrisse,
  • sehr tiefe Wintertemperaturen,
  • nicht verheilende Wunden,
  • ungünstige Standortfaktoren wie Staunässe, schwere und verdichtete Böden sowie
  • schlechte Holzausreife durch hohe, späte Stickstoffgaben oder hohe Stickstofffreisetzung aus dem Boden.

Auch steil in Quirlen abgehende Äste bei der Rundkronenerziehung können durch Zerrungen im Holz Gummifluss fördern, wohingegen sich die Spindelerziehung mit flach angeordneten Ästen als vorteilhaft erweist. Der Ausfluss kann auch an der Veredelungsstelle auftreten. Dann ist dies ein Hinweis auf Unverträglichkeit zwischen Edelsorte und Unterlage.

Fruchtfall bei Kern- und Steinobst

Da ein Baum bei starkem Fruchtbehang nicht das gesamte Obst ernähren kann, stößt er überzählige Jungfrüchte ab. Anhaltende Trockenheit und Hitze verstärken diese Reaktion. Betroffen sind primär die schwächeren, kleineren, und schlecht befruchteten Fruchtansätze. Der natürliche, sogenannte Junifruchtfall erfolgt bis Ende Juni, ansonsten durch Befall mit Obstmaden. Oft fällt die natürliche Behangregulierung jedoch zu schwach aus, was zu Überbehängen führt.

Korrigieren lässt sich dies bei kleinen Baumformen durch eine rechtzeitige Fruchtausdünnung. Der Fruchtfall entlastet das Obstgehölz, das nun weniger „ausgelaugt“ wird und somit Stressbedingungen besser widerstehen kann. Die verbliebenen Früchte können ihre sortentypischen Eigenschaften und gute Fruchtqualitäten ausbilden.

Durch Röteln können viele Kirschen für die Ernte verloren gehen
Durch Röteln können viele Kirschen für die Ernte verloren gehen © Theresa Petsch

Bei Kirschen kommt zudem das Röteln vor. Es ist die Folge schlechter Befruchtung oder einer Stoffwechselstörung im Fruchtwachstum, die durch kühle Witterung nach der Blüte begünstigt wird. Dabei werden etwa vier bis sechs Wochen nach der Blüte erbsengroße, vorzeitig gelbrot und rot gefärbte, eingetrocknete Kleinfrüchte abgestoßen, die nicht weiterwachsen und weder Fruchtfleisch noch Embryo ausgebildet haben. Bei Süßkirschen ist ‘Schneiders Späte Knorpel’ besonders anfällig für Röteln. Es führt trotz spezieller Befruchtersorten, guter Nährstoff- und Wasserversorgung sowie passenden Standortbedingungen zu hohen Ertragsausfällen.

Stiellähme bei Trauben

Überhöhte Stickstoff- und Kaliumgehalte im Boden und in den Reben führen zu geringen Calcium- und vor allem Magnesiumwerten in den Fruchtstielen und im Traubengerüst. Bei dieser sogenannten Stiellähme können Nekrosen entstehen, wodurch die Beeren nicht mehr ausreichend mit Wasser und Nährstoffen versorgt werden. Die noch unreifen Beeren schrumpfen in der Folge ein, bleiben fad und fallen teilweise vorzeitig ab.

Auch die Holunder-Doldenwelke hielt man lange für eine physiologische bedingte Störung. Denn sie schädigt die Holunderbeeren vor allem in niederschlagsreichen Jahren und an ungünstigen Standorten. Inzwischen konnte nachgewiesen werden, dass verschiedene Pilze die Doldenwelke verursachen.

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