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Honigbienenhaltung

Bienen halten ohne Varroabehandlung – Geht das?

Honigbienenvölker ohne Behandlung gegen die Varroamilbe halten – geht das? Ja! Imker aus England, Irland und den Niederlanden machen es vor. Auf Kuba ist gar die gesamte Bienenpopulation varroaresistent. In der Schweiz dagegen sind ohne Behandlung nur schätzungsweise 5% der Völker überlebensfähig. Woran liegt das und was lässt sich ändern?

von Bigna Zellweger erschienen am 30.04.2025
Bienenhaltung kann auch ohne Varroa-Behandlung gelingen. Das beweist unter anderem die „Clive and Shane Hudsons Apiary“ in Wales, UK © Thomas Gfeller
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Was können wir von den behandlungsfreien Imkerinnen und Imkern in der ganzen Welt lernen und haben Bienen ein Bewusstsein? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der Rehetobler Tagung „Biodiversität, Biene und Agri-Kultur“ Anfang 2025. Rund 90 interessierte Bienenfreundinnen und Bienenfreunde kamen zu diesem Anlass ins Gemeindezentrum in Rehetobel AR. Der Organisator der Tagung, Emanuel Hörler vom Erlebnisweg Honigbiene Rehetobel, begrüßte die Anwesenden.

Behandlungsfreie Bienenhaltung

Thomas Gfeller eröffnete mit seinem Vortrag den Morgen und präsentierte Ergebnisse aus seiner umfangreichen und fundierten Diplomarbeit, welche er im Rahmen der Ausbildung zum Imker mit eidgenössischem Fachausweis verfasst hat. Während vier Jahren war Thomas Gfeller mit seinem Fahrrad in Europa unterwegs. Auf seiner 25.000 Kilometer langen Reise traf er Imkerinnen und Imker, welche einerseits ihre Bienenvölker behandlungsfrei halten und andererseits oft auch wildlebende Honigbienenvölker in ihrer Umgebung beobachten.

Gfeller erzählte von Imkerinnen und Imkern in England, Irland aber auch Holland, welche ihm mit viel Freude ihre behandlungsfreien Imkereien zeigten. Der Blick über den Tellerrand und über Europa hinaus zeige, dass weltweit mehr wildlebende Honigbienenvölker existieren als bewirtschaftete Völker. Das gibt Hoffnung für die Zukunft. Gfeller warf ein, dass die Tatsache, dass die größte beobachtete Bienendichte von wildlebenden Honigbienenvölkern bei höchstens zehn Völkern pro Quadratkilometer liegt, uns zum Denken anregen sollte.

20 % der Imkerinnen und Imker in England hielten Gfeller zufolge ihre Bienenvölker behandlungsfrei. England verfügt bis heute über eine Population an wildlebenden Honigbienen, welche für den Erhalt eines wertvollen Genpools extrem wichtig ist. Eine andere Studie aus Kuba legt dar, dass auch die rund 220.000 Bienenvölker auf der karibischen Insel behandlungsfrei überleben können. Aus Kostengründen wurden dort gar nie Medikamente gegen die Varroamilbe angewendet. Dies scheint sich heute mit einer großen, varroaresistenten Population auszuzahlen.

Der Referent kritisierte, dass das Wissen über die behandlungsfreien Erfolge im Ausland bei den verantwortlichen Verbänden und Organisationen kaum Beachtung finden würde. Die große Frage, die nun im Raum steht: Wie kann man die Erfahrungen der verschiedenen behandlungsfreien Gebiete auf die Schweiz übertragen?

Nicht, dass es keine erfolgreiche behandlungsfreie Imkerei in der Schweiz gäbe. Gfeller erwähnte den Pionier Fridolin Hess, der seine Bienenvölker seit 2010 nicht mehr mit gängigen Mitiziden behandelt und keine überdurchschnittlichen Verluste zu beklagen hat. Nach vorsichtigen Einschätzungen Gfellers sind jedoch 95% der in der Schweiz lebenden Bienenvölker ohne Behandlungen gegen die Varroamilbe nicht überlebensfähig. Oder anders formuliert: Nur noch 5% der Honigbienenvölker in der Schweiz sind ohne Behandlung überlebensfähig. Dabei sind zwei „Varroarealitäten“ zu beobachten:

  • Einerseits kollabieren die Völker ohne Behandlung nach ein bis zwei Jahren.
  • Andererseits schaffen es Imker wie Fridolin Hess ohne Probleme, Bienenvölker behandlungsfrei zu führen.

Auch in der Schweiz ist noch „Überlebensgenetik“ vorhanden, obwohl diese möglicherweise durch züchterische Aktivitäten unwissentlich teilweise ausgelöscht wird.

Verschiedenste Versuche, Bienenvölker behandlungsfrei zu führen, wurden in der Vergangenheit oftmals unvorsichtig angegangen. Wie ließe sich das verbessern?

  • Indem wir uns der Komplexität der Thematik bewusst werden.
  • Und mit einem dringend notwendigen „Ressourcenmanagement“.

Eine an das Trachtangebot angepasste Bienendichte wäre sicher ein Anfang. Eine Untersuchung in Riggisberg (Kanton Bern) zeige, dass dort fast 500 Bienenvölker in einem Radius von zwei Kilometern leben. Das ergibt mehr als 40 Völker pro Quadratkilometer. Es liege auf der Hand, dass dies nicht nur eine enorme Konkurrenz der Honigbienenvölker untereinander, sondern auch für die dort lebenden Wildbienen und alle anderen nektar- und pollensuchenden Bestäuberinsekten bedeutet.

Die Quintessenz des Referats: „Wenn man sich mit der behandlungsfreien Imkerei auseinandersetzt, muss man sich auch fragen, in welcher Zukunft wir gerne wir leben möchten. Nutzen wir Chancen! Setzen wir uns mit Fehlern auseinander! Verbessern wir unsere Bienenhaltung zugunsten von optimierten Haltungsbedingungen und angepassten Bienendichten! Vor allem sollten wir uns weiterbilden. Setzen wir uns heute ein für eine naturorientierte Bienenhaltung mit resilienten, überlebensfähigen Bienenpopulationen für kommende Generationen!“

Was empfinden Insekten?

Einem ganz anderen Thema widmete sich Markus Wild, Professor für Theoretische Philosophie an der Universität Basel. Die zentrale Frage seines Referats „Insektenbewusstsein: Wie weit geht der Kreis der Empfindungsfähigkeit?“ lautete: „Können wir den Kreis der bewussten Lebewesen über den Bereich der Wirbeltiere ausdehnen? Oder konkreter gefragt: Haben Bienen ein Bewusstsein?“

Wild berichtete, dass lange umstritten war, dass Fische Schmerzen empfinden können. Die große Mehrheit der Forschenden zweifelt diese Tatsache heute nicht mehr an. Wie sieht es aber mit den Wirbellosen aus? Das Tierschutzgesetz in der Schweiz gilt nur für Wirbeltiere. Ob dem Tier ein Bewusstsein zugesprochen wird, ist entscheidend für dessen Schutzstatus. Bewusstsein beinhaltet sowohl positive als auch negative Empfindungen. Empfindungen sind Teile des Bewusstseins. „Die Empfindungsfähigkeit ist wichtig für die Ethik und die Gesetzgebung, weil sie die Grundlage für das Wohlergehen und Unwohlsein eines Tieres ist“, sagte Wild.

Um eine wirbellose Art ins Gesetz zu integrieren, müssen Studien zeigen, dass diese Art über ein Bewusstsein verfügt. Dies konnte vor einigen Jahren bei Hummern gezeigt werden. In einem längeren politischen Prozess wurde die entsprechende Verordnung angepasst. Hummer dürfen nicht mehr lebendig ins kochende Wasser gelegt und auch nicht lebendig auf Eis transportiert werden.

Wie sieht das nun bei Bienen aus? Diverse Versuche bei Hummeln zeigen, dass diese einen pessimistischen Gemütszustand haben können und daher also auch über Empfindungen verfügen. Wild meinte, dass diese Resultate belegen, dass Bienen ein Bewusstsein haben. Auch plädierte er dafür, dass zu viel Skepsis die Empfindsamkeit bei Tieren betreffend nicht ratsam sei. Hätten doch die letzten Jahrzehnte immer wieder gezeigt, dass auch Arten empfindsam sind, von denen man dies lange Zeit nicht glaubte.

Tieren Gehör verschaffen

Dies war die Frage, welche Am Nachmittag wurde in einer spannenden Podiumsdiskussion mit Markus Wild und der Zoologin Petra Wiesenhütter vom Naturmuseum St. Gallen diskutiert, wie wir Tieren – auch den wirbellosen – Gehör in unserer Gesellschaft verschaffen können. Genauer gesagt stellten sich die Fragen: Wie kann geltendes Recht eingefordert werden? Gibt es konkrete Schritte, Empfehlungen? Durch den Nachmittag führte Hanspeter Spörri, freier Journalist und Moderator aus Teufen AR.

Markus Wild setzte eine angeregte Diskussion in Gang: Es gebe zu viele Nutztiere auf der Erde – die Biomasse von 70% der Vögel und 60% der Säugetiere global gesehen sind Nutztiere. Diese müsse man drastisch reduzieren, da die Nutztierhaltung enormen Schaden anrichte. Weiter ging es mit dem sehr aktuellen Thema der Biodiversität und der Frage, wie man diese fördern kann. Petra Wiesenhütter sagte, dass man schon in der Schule anfangen müsse, um Kinder für diese Themen zu sensibilisieren. Das Naturmuseum St. Gallen präsentiert immer wieder Ausstellungen zu diversen aktuellen Naturthemen, welche von Schulklassen gut besucht würden. Die Nachfrage sei da und die Schülerinnen und Schüler seien interessiert. Die Schwierigkeit bestehe darin, die Menschen ins Handeln zu bringen und sie immer von Neuem an die Naturthemen heranzuführen. Markus Wild ergänzte, dass sich die Schweizerinnen und Schweizer vom Gedanken des aufgeräumten Gartens verabschieden müssten und im Kleinen das „Chaos“ akzeptieren sollten, weil dieses neue Lebensräume schafft. In einem weiteren Votum forderte Markus Wild einen Sonderstatus für wildlebende Honigbienen im Gesetz.

Aus dem Publikum kamen kritische Stimmen zur Lobby der Imkerinnen und Imkern in Bern, welche den Auftrag hat, die Gesundheit, die Honigerträge und die Bestäubungsleistung durch die Honigbienen aufrechtzuerhalten. Viele im Publikum sahen das als einen falschen Weg an. Einig war man sich dann am Ende über die goldene Regel im Umgang mit der Natur und das Grundprinzip in der Tierethik: „Behandle jedes Tier so, wie Du auch selbst behandelt werden möchtest.“

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