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Streuobstwiesen

Misteln befallen auch Birnbäume

Bisher trat die Mistel bei uns in den Streuobstbeständen fast ausschließlich beim Apfel auf. Jetzt wurden erstmals auch Misteln auf einem Birnbaum in der Region Stuttgart auf den Fildern entdeckt.
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Misteln auf einer "Palmischbirne"
Misteln auf einer "Palmischbirne"Picasa
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Die zunehmende Verbreitung der Mistel in unseren Streuobstbeständen ist sehr bedenklich. Noch in den neunziger Jahren gab es einen Bericht mit dem Titel: „Die Mistel auf unseren Obstbäumen ist fast ausgestorben“. Heute haben wir eine massenhafte Ausbreitung der Mistel nicht nur in Baden-Württemberg sondern auch in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Bayern, Saarland und Rheinland-Pfalz sind die Bestände gefährdet. In einzelnen Regionen dieser Bundesländer kann man von einem flächendeckenden Befall der Streuobstwiesen sprechen, der lokal bereits bestandsgefährdend sind wie der NABU-Bundesfachausschuss Streuobst berichtet. Die Weißbeerige Mistel ( Viscum album), die auch Laubholzmistel genannt wird, ist überall auf dem Vormarsch. Die mangelnde Pflege der Streuobstbestände ist dabei die Hauptursache. Eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielt aber auch der Klimawandel. Die Mistel schließt ihre Spaltsöffnungen deutlich später als die Wirtspflanze, sie entzieht dieser damit Wasser und dadurch kommt es einem verstärkten Trockenstress.

Bisher trat die Mistel bei uns in den Streuobstbeständen fast ausschließlich beim Apfel auf. Jetzt wurden erstmals auch Misteln auf einem Birnbaum in der Region Stuttgart auf den Fildern entdeckt. Dass die Mistel auf Birnen vorkommen kann, ist nicht neu. In einer Veröffentlichung aus dem Jahr 1915 gab es einen Bericht, dass in Luxemburg 34 % des Mistelbefalls auf Apfel entfällt, 31 % auf Birnen, 24% auf die Pappel und der Rest auf andere Laubbäume. Auch das Vorkommen auf Birnen in Liechtenstein ist ebenso bekannt wie im Saarland und in einer kleinen Region in Nordbaden. Bei uns dagegen trat die Mistel auf Birnbäumen bisher nicht auf. Birnbäume haben einen besonderen Schutzmechanismus gegen Misteln. Durch eine natürlichen Abwehrstrategie stirbt beim Birnbaum das Gewebe im Umkreis der Keimungsstelle ab und damit auch der Halbschmarotzer. Diese sogenannte Hypersensibilität ist eine natürliche Abwehrstrategie von Pflanzen gegen Eindringlinge. Es die gleiche Strategie, die wir auch bei scharkaresistenten Zwetschgen beobachten.

Einer besonderen Unterart von Viscum album gelingt es diesen Schutzmechanismus zu überwinden, sie wird als Birnenmistel bezeichnet. Eine solche Mistel wurde auf einem mehr als 150 Jahre alten Baum in der nicht mehr sehr vitalen Krone einer Palmischbirne entdeckt. (Foto). Auf den ersten Blick war es nur eine einzige Mistel, erst beim genaueren hinschauen konnten drei Misteln im Alter von ca. drei Jahren beobachtet werden (Foto). Es taucht nun die Frage auf, wie kommt die Mistel auf diesen Baum? Mit großer Wahrscheinlichkeit geschah die Übertragung über den Kot von Vögeln, die auf dem Rückflug von oder zu Winterquartieren waren und auf dem Baum rasteten.

Die Entdeckung der Mistel war rein zufällig, es besteht deshalb die Gefahr, dass es im Land noch mehr befallene Birnbäume gibt. Es wird deshalb gebeten beim Spaziergang die Birnbäume etwas näher zu betrachten und einen Befall sofort bei der zuständigen Kommune zu melden. Eine Ausbreitung der Mistel auf der Birne käme einer Katastrophe gleich, denn diese Obstart ist durch die Krankheit Birnenverfall , welche durch Plasmodesmen ausgelöst wird, schon stark geschädigt und würde zum Tod vieler Bäume führen. Wie bei einer Pandemie gilt auch bei der Mistel die Regel, eine Ausbreitung zu verhindern.

Über den Streuobstbau wird viel gesprochen und geschrieben, leider sind die Maßnahmen zu seiner Erhaltung unzureichend. Das betrifft auch die Maßnahmen zur Beseitigung der Mistel auf unseren Bäumen. Aktionen sind nur sinnvoll wenn ganze Gewanne geräumt werden, denn eine Neuinfektion über befallene Bäume in der Nähe geschieht sehr schnell. Nach der bisherigen gesetzlichen Regelung muss jeder Besitzer einer Streuobstwiesen gefragt werden, ob man seine Wiese betreten und die Misteln entfernen darf. Nicht jeder wird dem zustimmen, zudem ich das Ganze ein großer bürokratischer Aufwand, der von der Kommune betrieben werden muss, denn der einzelne Bürger bekommt keine Auskunft über die Parzellennummer bzw. deren Besitzer. Es ist deshalb nur schwer verständlich warum es nicht eine Verordnung gibt, die ein Betreten und das Entfernen der Mistel erlaubt. Beim Feuerbrand gab es eine solche Verordnung. Laut dem zuständigen Ministerium hat das Betretungsrecht aber Vorrang vor der Mistel. Die große Problematik des Mistelbefalls wird nicht erkannt, während durch den Feuerbrand kein einziger älterer Apfelhochstamm im Land abstarb, sind es durch die Mistel in der Zwischenzeit schon Tausende und es werden noch wesentlich mehr folgen.

Andere Bundesländer sind wesentlich aktiver, so haben nun der Verband der Gartenbauvereine Saarland/Rheinland-Pfalz und das Saar-Umweltministerium mit finanzieller Unterstützung des Landes und der Europäischen Union (EU) als Gegenmaßnahme ein Modellprojekt gestartet. Dabei werden die Misteln von einer Baumpflegefirma mit Hilfe von Teleskopstiel-Sägen und anderen Werkzeugen entfernt.
Das „Leader“-Projekt des Europäischen Landwirtschaftsfonds für nachhaltige landwirtschaftliche und waldwirtschaftliche Nutzung und trägt den Namen „Befallsdruckminderung der Mistel“. Das gesamte Mistelbeseitigungsprojekt wird mit Mitteln des Landes und der Europäischen Union mit rund 60 800 Euro bezuschusst. Dank der Fördersumme werden so 80 Prozent der Kosten für die professionelle Pflege der Streuobstwiesen getragen, so dass Flächenbesitzer bei der Beseitigung der Misteln enorm entlastet werden. „Wir hoffen, mit unserem Projekt Nachahmer zu finden und das Bewusstsein für die Problematik der Mistelverbreitung in den Obstbäumen bei der Bevölkerung zu schärfen“ heißt es in einer Mitteilung.
 

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