Optimistisch in die Kernobsternte
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Alljährlich treffen sich Anfang August Vertreter der europäischen Obstwirtschaft zur Prognosfruit, um die Zahlen zur anstehenden Ernte aufzunehmen und daraus Verkaufsaussichten und Strategien für die Vermarktungssaison abzuleiten. Nicht in Zahlen zu fassen ist dabei die Stimmung unter den Anwesenden. Bedingt durch Corona fand die Konferenz 2020 online statt, so dass die Marktstimmung nicht durchdringen konnte. Aber es hätte sicher Zuversicht geherrscht.
Außergewöhnlicher Marktverlauf
In seinem Rückblick auf die abgelaufene Saison berichtete Philippe Binard von der WAPA, der Weltapfel- und Birnenorganisation, von einem außergewöhnlichen Marktverlauf. Im Herbst konnte angesichts der niedrigen Ernte an die anziehenden Preise der ausgehenden Saison 2018 angeknüpft werden. Bis Ende Februar zeigten sich die Preise fest über dem langjährigen Durchschnitt. Mit Beginn der Pandemie in Europa zogen die Preise weiter kräftig an. Konsum und Nachfrage waren stets gut, die Importe aus der Südhemisphäre stabil, sie reagierten aber nicht auf die anziehenden Preise. So konnten auch weniger gefragte Sorten wie Jonagold und sogar Idared europaweit zu außergewöhnlichen guten Preisen abgesetzt und die Lager geräumt werden.
Erneut eine schwache EU-Ernte
Für die anstehende Saison wird in der EU mit 10,7 Mio. t eine erneut schwache Ernte erwartet, die sieben Prozent unter dem Fünf-Jahresdurchschnitt liegt und sich auch in einer längeren Zeitreihe bei den preislich guten Jahren 2009 bis 2013 einreiht. Der Blick auf die einzelnen Länder zeigt für Frankreich, Spanien und Portugal nach der vergangenen Rekordernte alternanzbedingt einen Rückgang auf Normalniveau. Österreich, Kroatien und Ungarn hatten ungünstiges Wetter. In Belgien und Niederlande werden weiterhin Flächen zugunsten der Birne gerodet. Auf der Wachstumsseite stehen vor allem Polen und Rumänien, die sich von 2019 erholt haben, sowie die kleineren Produzenten Slowenien und die baltischen Staaten. Von den weiteren Hauptproduktionsländern schöpfen Italien und Deutschland ihr Potenzial erneut nicht aus und bringen eher unterdurchschnittliche Erntemengen.
Blick auf die Sorten
Ein Blick auf die europaweiten Erntemengen einzelner Sorten zeigt Golden Delicious erneut einen deutlichen Rückgang um 13 Prozent auf unter 2,0 Mio. t. Gala erreicht bei leichtem Zuwachs von vier Prozent nun mit 1,5 Mio. t eine neue Höchstmarke. Weiter stark rückläufig sind Jonagold/Jonagored auf 0,55 Mio. t, die vor wenigen Jahren noch etwa 1,0 Mio. t brachten. Fraglich sind nach Frostschäden die angelieferten Qualitäten. Dagegen hat Red Jonaprince weiter auf 0,43 Mio. t zugelegt. Elstar, Braeburn und Fuji werden unterdurchschnittlich verfügbar sein, während Pinova leicht zulegt. Der Wechsel zu neuen Sorten, insbesondere Clubsorten, setzt sich fort auf 0,4 Mio. t, dominant bleibt hier mit 0,2 Mio. t Pink Lady.
Erntemengen in Deutschland
Die deutsche Apfelernte wird mit 951.000 t vier Prozent unter der letztjährigen liegen. Wesentliche Verschiebungen zwischen den Erzeugerregionen gibt es nicht, eher für einzelne Sorten. Ursache sind die frostigen Nächte zur außergewöhnlich frühen Blüte, die vor allem in Sachsen und am Neckar starke Schäden verursachten. In allen Anlagen ohne Frostschutzberegnung zeigen Jonagold starke Deformierungen und Frostzungen. Die schon bei der Ernte notwendige Sortierung sowie die Frage des Absatzes von geschädigter Ware wird eine Herausforderung. Erfreulicherweise gab es bislang in 2020 wenige Hagelunwetter. Elstar und Boskoop werden wie in Europa knapp. Clubsorten nehmen deutlich zu. Am Bodensee werden gegenüber dem Vorjahr sowie dem langjährigen Schnitt erneut etwas weniger Äpfel geerntet werden mit deutlichen Veränderungen bei den Sorten. Jonagold und Elstar haben erhebliche Rückgänge, während Gala, Pinova und Clubsorten zulegen. Bis auf die unglückliche Situation bei Jonagold sind die Voraussetzungen für ein gut am Markt platzierbares Angebot gegeben.
Erfreuliche Marktaussichten
In seiner Prognose auf die kommende Saison sieht Helwig Schwartau von der AMI zuversichtliche Erzeuger und Vermarkter. Bei geringer Ernte, gut geräumten Lagern ohne Überhänge, anhaltend guter Nachfrage zu hohen Preisen ausgangs der Saison, einem zehn Tage früheren Einstieg in die Ernte, wenig Druck aus Übersee und grundsätzlich aufnahmebereiter Verarbeitungsindustrie kommen viele positive Marktfaktoren zusammen.
Weniger internationaler Handel, mehr Regionalität
Ungewisse Einflüsse gehen von der guten Ernte in den Hausgärten aus, vor allem aber vom weiteren Verlauf der Corona-Pandemie. Bislang hatte Corona einen Nachfrageschub und hohe Preise gebracht. Die regionale Erzeugung rückte in den Fokus beim Verbraucher, der internationale Handel ging zurück. Die schwierige wirtschaftliche Lage könnte zu einem Rückgang der Kaufkraft führen. Fraglich wird sein, wo letztlich im Konsum gespart wird, wenn Einkaufen keine Freude macht und Urlaubsreisen nicht möglich sind.
Dies könnte auch bei der guten Ernte in den Hausgärten eine Rolle spielen. Während die reiche Streuobsternte 2018 über Nachbarschaftshilfen und Verwertungsinitiativen „gerettet“ wurde, ist dies in 2020 aus hygienischen Gründen ebenso fraglich wie ein Einreihen der Kleinproduzenten in die Ablieferung bei den Annahmestellen, insbesondere wenn die Preise nicht attraktiv sind.
Weniger Tafelobst
In der kommenden Saison werden weniger Äpfel für den Tafelobstmarkt zur Verfügung stehen. Eine Aufteilung auf die strukturell weiter unterschiedlichen östlichen und westlichen Märkte der EU zeigt mit 2,2 Mio. t etwas mehr Ware für den Frischmarkt im Osten und einen Rückgang um 0,2 Mio. t auf 4,9 Mio. t im Westen. Aufgrund des geringen Anteils an beschädigter Ware stehen in Deutschland etwas mehr einheimische Herkünfte zur Verfügung. Ein Unsicherheitsfaktor ist noch die exakte Höhe und Verwendung der Ernte in Polen. Dort hat man aber inzwischen auch erkannt, dass in der eigenen Verarbeitung sowie im Export der Tafelware außerhalb der EU mitunter eine bessere Wertschöpfung zu erzielen ist und sich die handelsrechtlichen Voraussetzungen erarbeitet.
Pokern beim Saft
Im Verarbeitungsbereich bleiben für den Saisonstart einige Unsicherheiten: Grundsätzlich ist hier aus dem Erwerbsanbau eine geringere Ernte zu erwarten. Demgegenüber wird vom Fruchthandelsverband für den deutschen Streuobstanbau alternanzbedingt eine hohe Ernte von 0,85 Mio. t geschätzt. Fraglich wird sein, ob diese Ernte eingebracht wird. Auf europäischer Ebene diktiert Polen den Verarbeitungssektor. Bei den Nachbarn gibt es noch Diskussionen über die tatsächliche Höhe der Ernte zwischen 3,5 und 4,0 Mio. t. Sollten 3,5 Mio. zutreffen, wird es einen Wettbewerb um die Äpfel geben, weil auch die Verarbeiter in Polen ihre Anlagen auslasten wollen. Die Bestände an Apfelsaftkonzentrat sind gering, die Preise mit 1,25 Euro/kg Konzentrat leicht über dem Durchschnitt seit 2013/14. Gerüchte zu überhängigen chinesischen Beständen tauchen wie U-Boote auf. Auswirkungen der Handelskonflikte mit den USA werden unterschiedlich diskutiert. Gleiches gilt für die Qualitäten des eher säurereichen europäischen Konzentrats und des höheren Direktsaftanteils im deutschen Markt.
Große Unsicherheit bei den Preisen für Verarbeitungsware
Die Einkäufer der deutschen Verarbeitung sind grundsätzlich aufnahmebereit, aber mit Verträgen zurückhaltend, der Markt ist ruhig und abwartend. Ob sich das Pokern vor dem Hintergrund möglicher negativer Effekte eines erneuten Corona Lockdowns auf die Handelswege bis hin zur Verfügbarkeit an Saisonarbeitskräften und stärkeren Hygienemaßnahmen als sinnvoll erweist, wird sich zeigen.
Schwartau nannte bei den großen Unsicherheiten zu den Verarbeitungspreisen einen breiten Erwartungshorizont zwischen 100 und 140 Euro/t. Im Hinblick auf einen ordentlichen Abfluss der beschädigten Ware aus den Jonagoldkulturen wäre ein Preisniveau über 120 Euro/t sicherlich ein sinnvoller Ansatz, bevor am Ende zu viel schlechte Ware eingelagert wird und stark geschädigte Anlagen gar nicht beerntet werden. Unter 100 Euro/t ist eine Ernte auch zu Grenzkosten nicht wirtschaftlich, insbesondere wenn Erntekräfte knapp sind.
Beim Öko-Obst läufts
Nach dem guten Absatz in 2019 erwartet Fritz Prem vom Europäischen Bio-Obstforum (EBF) eine Fortsetzung der guten Lage bei Tafelobst und in der Verarbeitung. Die auf Ökoprodukte ausgerichteten Konsumenten sind bereit, mehr für Nahrungsmittel auszugeben. Verkäufe fänden häufig auf kurzem Weg von der Erzeugergruppe an den Lebensmittelhandel mit besseren Anteilen an der Handelsmarge statt. Wichtige Voraussetzung ist eine gesicherte Herkunft mit Marke. Damit soll die Erzeugung auf den erwarteten 30 Prozent Flächenzuwachs im EBF am Markt zu platzieren sein. Für 2020 werden in der EU 511.000 t Bioproduktion nach 476.000 t in 2019 erwartet. Damit erreicht der Öko-Anbau EU-weit einen Anteil von 4,8 Prozent. Haupterzeuger sind Italien mit 177.000 t, Frankreich mit 116.000 t und Deutschland mit 89. 000 t.
EU-Birnen holen auf
Nach der schlechten Ernte im vergangenen Jahr von unter 2,0 Mio. t wird eine Erholung auf immer noch durchschnittliche 2,2 Mio. t erwartet. Diese sollte gut am europäischen Markt untergebracht werden. Rückgänge gab es in Spanien und Portugal, deutliche Zuwächse beziehungsweise eine Erholung in Italien, allerdings nicht auf das langjährige Ertragspotenzial. Stabile Produktion zeigen Belgien und Niederlande. Die europäische Hauptsorte bleibt mit 42 Prozent Conference. Abate Fetel erholen sich und werden Marktanteile zurückgewinnen müssen. Im deutschen Anbau findet die preislich über lange Jahre stabile Birne mit 42.000 t leider immer noch zu wenig Beachtung. Die Produktion am Bodensee erreicht nur 5000 t. Die sich auch hier mit neuen Clubsorten, allen voran Xenia, eröffnenden Chancen sollten genutzt werden.
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