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Fruchtsaft-Saisoneröffnung 2021

Ausflug in heimische Saftwelten

Zum Auftakt der Apfel- und Mostobsternte traf sich die Fruchtsaftbranche mit Politik und Pressevertretern am 8. September in Horgenzell-Detzenweiler unweit von Ravensburg bei der Mosterei Keßler. Der Familienbetrieb setzt unter dem Motto „frisch, fruchtig, regional“ auf verschiedene Betriebszweige vom Lohnmosten über Baumschnitt und Zeltverleih bis zur Besenwirtschaft mit Hofladen und ist damit eine Besonderheit in der Branche. 

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   Gruppenbild mit Polit-Prominenz: Vertreter von Politik und Verbänden informierten sich über die Obsternte 2021 und die Saftherstellung bei Familie Kessler in Horgenzell im Landkreis Ravensburg. Nach einer Betriebsbesichtigung der Besenwirtschaft und der Mosterei ging es auf eine Besichtigungstour in die Obst- und Beerenanlagen.
Gruppenbild mit Polit-Prominenz: Vertreter von Politik und Verbänden informierten sich über die Obsternte 2021 und die Saftherstellung bei Familie Kessler in Horgenzell im Landkreis Ravensburg. Nach einer Betriebsbesichtigung der Besenwirtschaft und der Mosterei ging es auf eine Besichtigungstour in die Obst- und Beerenanlagen. Borlinghaus
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„Was wir bislang geerntet haben, war sehr gut“, meinte Wilhelm Keßler mit Blick auf die bevorstehende Saftsaison, die in diesen Tagen anläuft. Hierfür dürfte es beim Mostobst dieses Jahr angesichts von Frostschäden im Frühjahr verhältnismäßig viel geben, erwartet der Firmenchef. Anders sieht es beim Streuobst aus. Hier gehen die Keltereien mancherorts von lediglich 30 Prozent einer durchschnittlichen Ernte aus, heißt es beim Verband der Agrargewerblichen Wirtschaft (VdAW), der zu der Veranstaltung eingeladen hat.  Beim VdAW erwartet man im Land eine unterdurchschnittliche Streuobsternte 2021. So ist es eher fraglich, ob die 225 Mio. Liter, die 2020 in Baden-Württemberg gekeltert wurden, auch in diesem Jahr erreicht werden.  

Breites Sortiment im Angebot

Umgeben ist der Betrieb Keßler von Apfelanlagen, sowohl Streuobst als auch Mostobst sowie jede Menge verschiedene Beerenkulturen, wie Himbeeren, Heidelbeeren, Goji-Beeren, Aronia-Beeren, Haskap-Beeren oder Holunder. Insgesamt seien die Verarbeitungschargen bei Keßlers vergleichsweise gering. „Für unsere Größe ist das die Zukunft, da kann man dann auch höherpreisig fahren, als wenn man große Rohstoffmengen womöglich auch noch aus dem Ausland importieren müsste“, findet Keßler. An Apfelwein werden bei ihm jedes Jahr rund 200.000 Liter hergestellt. Im Bag in Box System gibt es verschiedene Mischsäfte in etwa 25 verschiedenen Sorten und Kombinationen im Angebot. Für die Sekt- und Schaumweinproduktion wird die Abfüllung extern vergeben. Zudem werden rund 500.000 bis 1 Million Liter im Lohn gemostet.

Zu kalte Witterung im Frühjahr

Die anstehende Mostobsternte 2021 wird aber nicht ausschließlich über Nischenbetriebe zu vermarkten sein, betont Timo Schumann vom VdAW. In Baden-Württemberg stehen ihm zufolge rund siebzig Fruchtsaftkelterein zur Erfassung der Verarbeitungsware aus dem Erwerbs- und Streuobstanbau in den Startlöchern. 

20 bis 30 Prozent weniger im Kreis Ludwigsburg

„Wir rechnen bei uns im Kreis mit 20 bis 30 Prozent weniger Streuobst als im Vorjahr“, sagt auch Albrecht Kumpf, Geschäftsführer der Kumpf Fruchtsaft GmbH & Co. KG  aus Markgröningen-Unterriexingen, Landkreis Ludwigsburg, am Rande der Veranstaltung. Ein Grund für die geringere Ernte war die kalte Witterung zu Blütezeit im Mai. Kumpf Fruchtsaft arbeitet mit insgesamt 75 Lohnmost-Sammelstellen im Land zusammen, insgesamt werden 20.000 bis 60.000 Tonnen Äpfel verarbeitet. Im Raum Hohenlohe zum Beispiel wird laut Kumpf mit vergleichsweise mehr Streuobst gerechnet als im Neckarraum.

Hagelschäden am Bodensee

Neben dem kalten Frühjahr ist die Alternanz ein weiterer Faktor für die wohl insgesamt geringere Ernte. Ein Phänomen, das insbesondere in Streuobstbeständen nach einem ertragreichen Jahr wie 2020 zu einem geringen Fruchtansatz führt. Zu allem Überfluss gab es im Juni und Juli zahlreiche Unwetter mit schweren Hagelschlägen, die den Behang in den betroffenen Gebieten stark reduziert haben. Die Mosterei Keßler blieb 2021 vom Hagel verschont, gleichwohl wurden viele Baumanlagen in den Seegebieten zwischen Kressbronn und Überlingen ohne Schutznetze stark beschädigt. Entsprechend könnten die Bodensee-Betriebe leichter auf Mostobst zugreifen und seien weniger auf die Streuobsternte angewiesen als Betriebe außerhalb der großen Apfelanbaugebiete.

Handlungsbedarf in Sachen Streuobst ist groß

Mit der Ernte 2021 zeigt sich wieder einmal, dass sich die Extremwetterlagen und der Klimawandel zunehmend auf die anfallenden Erntemengen auswirken. Der schlechte Pflegezustand und die Überalterung schwächen die Streuobstbestände zusätzlich. Den dringenden Handlungsbedarf zum Schutz dieses artenreichen Lebensraums hat die Politik erkannt, stellte die Staatssekretärin im Ministerium für Ländlichen Raum Sabine Kurtz in ihrer Ansprache klar. Das Land fördert daher Vermarktungsprogramme und Pflegemaßnahmen. Damit wird ein wichtiger Beitrag geleistet, die Notwendigkeit einer auskömmlichen Wertschöpfung bleibt allerdings bestehen.

Qualitätszeichen QZBW-Streuobst geplant

Ein Großteil der Äpfel aus Streuobstwiesen wird zu Apfelsaft verarbeitet. Mit diesem Produkt müssen sich die Keltereien auf dem europäischen Markt behaupten. Ernte und Pflege von Streuobstwiesen sind im Vergleich zum intensiven Anbau sehr arbeits- und kostenintensiv. Dies rechtfertigt die Forderungen nach höheren Auszahlungspreisen. Diese müssen sich jedoch auch in einem Mehrpreis beim Apfelsaft widerspiegeln. „Es gilt also dem Verbraucher den Mehrwert von Saft aus Streuobstbeständen zu vermitteln, damit dieser bereit ist, hierfür mehr zu bezahlen“, gab die Staatssekretärin zu bedenken. Hierbei möchte das Land die Betriebe durch die Einführung eines „QZBW-Streuobst“ unterstützen. „Durch eine klare Trennung von Streuobstprodukten könne deren Mehrwert dem Verbraucher auch besser vermittelt werden.“

15 Euro pro dt reichen den Erzeugern nicht

Streuobst, sagt Keßler, kann nur funktionieren, wenn es in weiten Teilen auch großflächig angelegt ist. „Alles, was Handarbeit ist, kostet Geld. Wenn man von Hand auflesen muss, müssen die Äpfel mindestens 25 bis 30 Euro pro dt bringen. Die 15 Euro, die maximal von den Keltereien bezahlt werden können, reichen hier nicht aus“, so Keßler. Ziel sei eine maschinelle Ernte, auch beim Streuobst. Problematisch sei, dass er die Streuobstflächen nicht mulchen darf. Vielmehr müsse man das Gras abgeben oder zu Heu oder Silage aufbereiten, für den Betrieb seien das zusätzliche Kosten. Das regelmäßige Mähen sei wichtig, um Wurzelschäden an den Kulturen durch Mäuse zu verhindern.

Kriterien nicht zu eng festlegen

Der VdAW begrüßt ein Qualitäts- und Prüfsystem speziell für das Streuobst wie vom Land vorgeschlagen. Allerdings müsse das System auch praktikabel sein. Eine Definition und die Kriterien für die Streuobstbestände dürfen nicht zu eng gefasst werden. Sonst sei die Gefahr groß, dass die größten zusammenhängenden Streuobstbestände Europas, wie es sie in Baden-Württemberg noch gibt, noch stärker zurückgehen. Die Vorgabe einer Mindeststammhöhe zum Beispiel würde das Aus für viele Streuobstflächen und Keltereien bedeuten, weil es eine effiziente Erfassung der Früchte unmöglich mache.

Chancen für neue Produkte

Für die Kultur- und Landschaftspflege haben die Streuobstflächen einen hohen Stellenwert. Leider lohne es für die vielen Stücklebesitzer schon seit Jahren immer weniger das Obst aufzulesen. Sabine Kurtz hofft hier auf die junge Generation, wie sie sagt. Viele junge Menschen legten immer größeren Wert auf die Ernährung und pflegen einen gesundheitsbewussten Lebensstil, sie ernähren sich vegetarisch und sind teilweise bereit wieder mehr Geld fürs Essen auszugeben. Für Start-up Unternehmen, die sogenannte Superfood-Produkte anbieten, sieht die Staatssekretärin durchaus gute Chancen für Innovationen. „Das Segment ist klein, aber es gibt einen Markt“, so Kurtz.  

Mehr Schulungsprogramme und Wertschätzung

Ziel müsse es sein, die Entkoppelung von Erzeugern und Verbrauchern aufzuheben und das Verständnis füreinander zu verbessern. „Wir müssen in die Schulen hereinkommen. Die öffentlichen Kantinen müssen Streuobstsaft im Sortiment führen“, hieß es. Viele Obst- und Gartenbauvereine im Land führten Pflanzaktionen durch und würden im Herbst das Saftpressen als Familienaktionen mit Kindern durchführen. Hier gebe es jede Menge Initiativen im Land, wie sie auch die Mosterei Keßler in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Horgenzell durchführen. Dass viele Keltereien als Abnehmer und Verwerter oftmals wegen zu schlechter Auszahlungspreise zu Unrecht in der Kritik stünden, betonte Klaus Widemann von der Bernhard Widemann Bodensee Kelterei GmbH in Bermatingen. Viele der Unternehmen müssten international im Wettbewerb mithalten, der Preisdruck sei immens.

Anfangspreis noch niedrig - Lohnmost wird immer beliebter

Derzeit bekommen die Erzeuger für ihre abgelieferten Äpfel lediglich 8 Euro pro dt ausbezahlt.  Der Grund: Der Saft sei noch zu sauer, um ihn als 100 Prozent Direktsaft abfüllen zu können.  Erst bei einem Zuckergehalt von über 48 Öchslegraden kann Direktsaft mit dem Qualitätszeichen Baden-Württemberg hergestellt werden. Das dürfte in den kommenden Wochen ab Ende September bald der Fall sein. Dann werden Preise bis 15 Euro pro dt erwartet. Viele Safthersteller und Keltereien motivieren ihre Lieferanten Lohnmost zu machen. Hierfür wird das Obst in Saft umgetauscht. Bei dem Tausch, bei dem 100 kg etwa 25 Euro entsprechen, liegt der Vorteil beim Lieferanten. Die Keltereien können hier bessere Preise bezahlen, weil sie keinerlei Vermarktungsrisiko übernehmen müssen.    

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