Virusresistente Tomaten
Wildtomaten haben eine andere Chromosomenstruktur als moderne Sorten. Das erschwert es, einzelne Gene einzukreuzen, ohne andere – unerwünschte – Gene gleich mit zu übertragen. Eine neue Technologie zur Genom-Editierung soll dies ändern.
von Red/ Pflanzenforschung.de erschienen am 26.11.2025Es war ein Schock für Gemüsebauern in Südaustralien: Im Jahr 2024 führte ein Ausbruch des Tomato Brown Rugose Fruit Virus (ToBRFV) dazu, dass Millionen Tomatenpflanzen vernichtet werden mussten, verbunden mit wirtschaftlichen Verlusten in Millionenhöhe. Auch in Deutschland tritt das Virus seit 2018 auf und bis Ende 2024 war vorgeschrieben, befallene Pflanzen zu vernichten. Weltweit sind Tomaten die zweitwichtigste Gemüsepflanze nach der Kartoffel. Doch derzeit gibt es keine kommerziellen Sorten mit vollständiger Resistenz gegen den Erreger. Das könnte sich in den kommenden Jahren ändern – zumindest, wenn es nach dem Forschungsprojekt INNO-TOM geht.
Natürliches Resistenzgen der Wildtomate übertragen
Mittels einer neuen Technik zur Genom-Editierung will das Projekt dazu beitragen, Virusresistenzen aus dem Genom wilder Tomaten in moderne Sorten zu übertragen. Denn nicht nur ToBRFV setzt dem Anbau zu. Auch das Tomatenmosaikvirus (TMV) ist noch immer ein Problem – wenngleich es hier resistente Sorten gibt.
„Die Resistenz gegen das Tomatenmosaikvirus (TMV) stammt aus der Wildtomate Solanum peruvianum“, erklärt Projektkoordinator Alain Tissier vom Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie. „Doch gerade in Chromosom 9, wo dieses Resistenzgen liegt, unterscheidet sich die Genomstruktur stark von der kultivierten Tomate Solanum lycopersicum.“ Diese Unterschiede behindern bei konventioneller Kreuzungszüchtung eine geregelte Rekombination. In der Folge würden nicht nur das gewünschte Resistenzgen, sondern auch benachbarte, potenziell unerwünschte Gene aus der Wildtomate mit in die Kulturform eingebracht. Eine gezielte Lösung für dieses Problem verspricht eine neue Methode der Genom-Editierung, die das Forschungsteam am Leibniz-Institut entwickelt hat: Cas-Exo.
Cas-Exo führt zu homologem Doppelstrang
Cas-Exo ist ein neuartiges Verfahren zur Genom-Editierung, das besonders hilfreich ist, wenn gezielt größere Abschnitte aus dem Erbgut entfernt und durch gewünschte Sequenzen ersetzt werden sollen. Es baut auf der bekannten CRISPR/Cas-Technologie auf, bei der ein Enzym – meist Cas9 – mithilfe einer Guide-RNA zu einer bestimmten Stelle im Genom geleitet wird, um dort einen präzisen Schnitt zu setzen.
Der entscheidende Unterschied zu herkömmlichen CRISPR-Verfahren liegt in der zusätzlichen Kopplung einer Exonuklease an das Cas-Protein. Diese wirkt wie ein Radiergummi, der nach dem Schnitt entlang eines der beiden DNA-Stränge weiterarbeitet und so gezielt Bereiche abtragen kann und damit eine Portion einzelsträngiger DNA auf beiden Seiten des Schnittes zu generieren.
Gerade bei komplexen Züchtungszielen wie der Übertragung eines Resistenzgens aus der Wildtomate (S. peruvianum) in die Kulturtomate (S. lycopersicum) ist das ein großer Vorteil: Zunächst wird die nicht resistente Genvariante im Erbgut der Kulturtomate mithilfe von Cas-Exo entfernt. Gleichzeitig erhält die Zelle eine „Reparaturvorlage“ – also das gewünschte Resistenzgen aus der Wildform. Durch einen zelleigenen Reparaturmechanismus, die homology-directed repair (HDR), wird dieses neue Gen präzise an der zuvor entfernten Stelle eingefügt. Weil es sich um Sequenzen aus dem sogenannten Breeder’s Pool handelt und diese Events durch konventionelle Züchtung entstehen könnten, müssten die Pflanzen nach dem geplanten EU-Recht nicht als transgen klassifiziert werden.
„Anders als Cas9 allein baut die Exonuklease nur einen DNA-Strang ab“, erklärt Tissier. „Das löst einen speziellen Reparaturweg aus, bei dem homologe Sequenzen verwendet werden.“ HDR ist zwar natürlicherweise die seltenere Form der DNA-Reparatur – doch mithilfe von Cas-Exo lässt sich die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass genau dieser präzise Mechanismus zum Zug kommt. So kann gezielt ein einzelnes Gen ersetzt werden, ohne unerwünschte Abschnitte aus der Wildtomate mitzuschleppen.
Genaustausch durch Cas-Exo vermeidet Gen-Kopplung
Dank dieses Werkzeugs sollte es nun möglich sein, gezielt nur das TMV-Resistenzgen von S. peruvianum auf S. lycopersium zu übertragen und damit die Genversion der kultivierten Tomate zu ersetzen. „Der Rest des Chromosoms bliebe damit frei für die weitere Züchtung“, betont Tissier.
Aktuell bereitet das Team gerade die nötigen Konstrukte für die Transformation vor. „Aber ich sehe kein Problem, die Sequenz zu ersetzen“, gibt sich der Projektkoordinator zuversichtlich. „Die Frage ist eher, ob wir das effizient hinbekommen.“
Anthocyan für haltbarere und gesündere Früchte
Weiter fortgeschritten ist ein zweiter Teil des Projekts, der ebenfalls auf Cas-Exo setzt. Die Forscher:innen würden gern die Früchte der Tomate mit Anthocyan anreichern. Das ist ein Antioxidans, das der menschlichen Gesundheit nützt und zugleich die Früchte der Tomate haltbarer macht, gegen Infektionen mit Grauschimmel stärkt und violett färbt. Obwohl die Tomate Gene besitzt, um Anthocyan zu bilden, geschieht dies bei keiner Sorte im Fruchtfleisch. Die einzige Ausnahme ist eine transgene Tomate aus Großbritannien, in die zwei fremde Gene integriert wurden, deren Expression in der Frucht aktiviert ist.
„Wir wollen mit unserem Tool den Promotor eines eigenen Gens der Tomate so modifizieren, dass es im Fruchtgewebe der Pflanze exprimiert wird“, schildert Tissier den Plan für eine Transgen-freie Lösung. In der Literatur sind bereits Promotoren von Genen bekannt, die dafür sorgen, dass diese Gene im Fruchtgewebe aktiv sind. Allerdings haben diese eine Länge von 1000 bis 2000 Basenpaaren. „Die EU plant eine Regel fürs Genome Editing“, sagt der Pflanzenforscher: „Wenn eine Sequenz um maximal 20 Nukleotide modifiziert wird, gilt sie nicht als transgen.“
Suche nach dem regulatorischen Promotor-Anteil
Der regulatorische Sequenzteil eines Promotors, der für die gewebespezifische Expression entscheidend ist, umfasst meist nur 8 bis 15 Nukleotide. Eine solche Sequenz gilt es nun zu identifizieren, etwa indem Bereiche des Promotors deletiert werden und geschaut, ob das die Gewebespezifität verändert.
Als Machbarkeitsprobe hat das Team bereits ein rund 1000 Basenpaare großes Fragment mittels Cas-Exo in den entsprechenden Promotor eingefügt und so das Gen im Fruchtgewebe aktiviert. „Normalerweise muss man mit CRISPR/Cas dafür transgene Pflanzen produzieren, um die Modifizierung einzuführen, und dann die transgenen Elemente wieder auskreuzen, sodass nur die gewünschte Modifikation im Genom verbleibt“, erklärt Tissier. „Ohne Cas-Exo müsste man mehrere Tausend Pflanzen screenen, weil die Homologie-Reparatur so selten ist“, vergleicht der Forscher. „Uns reichen 30 Transformanten, um ein oder zwei erfolgreiche Events zu haben.“
Spannend bleibt für den Projektkoordinator der Umstand, dass sich die neue und alte Sequenz der Resistenz-Gene nur in 10 bis 15 der mehr als 200 auszutauschenden Nukleotide unterscheidet. „Mit einem der Zielsequenz so ähnlichen Substrat müssen wir sehen, ob unser Tool immer noch effizient funktioniert“, sagt Tissier. Das Team sei noch ganz am Anfang der Anwendung von Cas-Exo: „Wir sammeln jetzt Erfahrungen.“ Zeit bleibt dafür genug, denn das Projekt hat vor wenigen Monaten erst begonnen und läuft bis Oktober 2028.


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