Pflanzenschutz und Biodiversität in Agrarökosystemen
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„Pflanzenschutz und Biodiversität in Agrarökosystemen“
Kurzfassung der Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats des Nationalen
Aktionsplans zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln beim
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
Stand März 2019
Der Wissenschaftliche Beirat des Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von
Pflanzenschutzmitteln (NAP) berät das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Er hat zu den Wirkungen des Pflanzenschutzes auf die Biodiversität in Agrarökosystemen Stellung genommen.
Pflanzenschutz ist ein ertrags- und qualitätssichernder Faktor im Ackerbau und in noch
größerem Maße in Sonderkulturen. Globale Meta-Analysen und Expertenauswertungen
schätzen den potentiellen Ertragsausfall durch Schadorganismen je nach Nutzpflanze
zwischen 17 und 40 % ein. Dieser wird mit direktem chemischen, biologischen oder
physikalischen Pflanzenschutz und mit indirekten vorbeugenden, systembezogenen
Maßnahmen verringert.
Unter den vielen Wirkungen von Pflanzenschutzmitteln ist diejenige auf die Biodiversität eine schwer zu fassende. Die derzeitige intensive, betriebswirtschaftlich optimierte und
international wettbewerbsfähige Landwirtschaft verändert multikausal die Landschafts- und
Lebensräume, reduziert die Vielfalt der natürlichen Habitate und Agrarökosysteme, und wirkt sich damit negativ auf die Biodiversität vieler Artengruppen aus. Zudem beeinflusst auch der Klimawandel die Biodiversität in der Agrarlandschaft negativ.
Der Rückgang der Biodiversität in der Agrarlandschaft ist markant. So haben Schmetterlings- und Vogelpopulationen seit 1990 bzw. 1980 um 50 % und die Biomasse der fliegenden Insekten seit 1989 um 75 % abgenommen. Arten- und Individuen-Anzahlen von
Ackerwildkräutern, Amphibien, Fischen, empfindlichen Wirbellosen in Gewässern,
Wildbienen, Schwebfliegen, Laufkäfern, Marienkäfern und vielen weiteren
Organismengruppen nehmen ab. Von den 14 unmittelbar nutzungsabhängigen Offenland-
Biotoptypen sind in Deutschland 80 % gefährdet. Weitere Lebensräume (Moore, Wald- und
Ufersäume, Staudenfluren etc.) werden durch die landwirtschaftliche Nutzung in der
Umgebung beeinträchtigt.
Direkte und indirekte Wirkungen von Pflanzenschutzmitteln werden durch eine große Zahl
von wissenschaftlichen Studien in Deutschland und im europäischen Umfeld dokumentiert.
Die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (Insektizide, Fungizide, Herbizide) stellt in dem
komplexen Gesamtsystem von Faktoren einen bedeutenden Einflussfaktor mit meistens
signifikant negativen in Ausnahmefällen jedoch auch positiven Auswirkungen auf die
Biodiversität in Agrarökosystemen dar. Pflanzenschutzmittel gelangen in und auf Pflanzen,
Tiere und Böden, in die Atmosphäre sowie in Gewässer und Grundwasser; sie entfalten ihre
schädlichen Nebenwirkungen in kurzen, aber auch sehr langen Zeiträumen. Sie können
direkte toxische Wirkungen auf Nichtzielorganismen hervorrufen und indirekt Nahrung und
Lebensräume einer Vielzahl von Organismen reduzieren. Hinzu kommen kumulative und
sequenzielle Wirkungen, da Pflanzenschutzmittel häufig gemeinsam angewandt werden und
eine kombinierte Wirkung von Umweltstressoren und Pflanzenschutzmitteln insbesondere
bei Anwendung im Freiland relevant wird.
Der Wissenschaftliche Beirat NAP schlägt daher folgende Maßnahmen für einen
zukunftsfähigen Pflanzenschutz vor:
1. Die weitere Entwicklung der Biodiversität soll durch die Einführung eines repräsentativen,
umfassenden und auf die Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln ausgerichtetes
Langzeit-Biodiversitäts-Monitorings standardisiert beurteilt werden.
2. Das Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln soll auf mögliche Lücken bei der
Beurteilung von Wirkungen auf die Biodiversität auf der Basis des neusten Wissensstands
überprüft werden, und diese Erkenntnisse sollen in die Novellierung des europäischen
Zulassungsrechtes eingebracht werden.
3. Es sollen positive und negative Anreize für die landwirtschaftliche Praxis geschaffen
werden, um die Anwendung von Pflanzenschutzmittel in der Praxis zu reduzieren. Dazu
soll auch eine Abgabe auf Pflanzenschutzmitteln geprüft werden, und mittelfristig soll ein
wissenschaftlich basiertes System der Internalisierung der Umweltkosten (True Cost
Accounting) vorgeschlagen werden.
4. Integrierte Pflanzenschutzverfahren sollen durch Forschung und Beratung weiter gestärkt,
in der Züchtung soll ein Schwerpunkt auf Schaderreger-tolerante oder -resistente Sorten
gelegt werden.
5. Die Rahmenbedingungen für den Ökologischen Landbau sollen weiter verbessert werden,
um das Ziel der Bundesregierung, seinen Flächenanteil auf 20 % auszudehnen, möglichst
schnell zu erreichen.
6. Im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und der Agrarumweltmaßnahmen
(ELER) sollen in deutlich größerem Umfang als bisher vielfältige Landschaftselemente,
Habitate und in die Produktionsfläche integrierte ökologische Vorzugsflächen und
Pufferzonen gefördert werden.
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