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Mistel-Schäden in Streuobstwiesen

Gefährlicher „Baumsauger“

Ein starker Besatz mit dem Schmarotzer schwächt viele alte Streuobstbäume und kann schließlich zum Absterben führen.
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Die rasante Steigerung des Mistelbefalls von Streuobstbäumen innerhalb von 15 bis 20 Jahren ist erstaunlich. Die wichtigste Ursache dafür liegt in der immer weiter abnehmenden Pflege der Obstwiesen: Nur noch wenige Besitzer schneiden ihre Bäume regelmäßig. Früher wurde ein Ast mit Misteln beim Schnitt sofort entfernt, heute kann sich der Schmarotzer meist ungestört ausbreiten. Aber auch die abnehmende Vitalität der Bäume, bedingt durch Umwelteinflüsse und mangelnde Nährstoffversorgung, fördert die Ausbreitung. Zudem begünstigt die Klimaerwärmung die Mistel und die für die Verteilung verantwortlichen Vogelarten. Die Früchte der Mistel sind ein wichtiger Bestandteil der Winternahrung vieler Vogelarten, v.a. der Misteldrossel oder etwa des Seidenschwanzes, der im Winter manchmal bei uns auftaucht. Aber auch die Wacholderdrossel, die in manchen Regionen in großer Zahl die Streuobstwiesen bevölkert, greift in Notzeiten auf die Beeren der Mistel zurück. Unter den Vögeln, die sich von Mistelfrüchten ernähren, gibt es eine Gruppe, welche die Samen verbreitet, und eine, welche die Samen vernichtet – vor allem Meisen fressen die Samen und vernichten sie damit.
Bei entsprechenden Witterungsbedingungen und Nahrungsangeboten überwintert die Misteldrossel bei uns in großer Zahl. Eine Veränderung ihrer Lebensweise kann zu erhöhter Mistelausbreitung führen. So wird seit einigen Jahren beobachtet, dass auch die Singdrossel (eigentlich ein Zugvogel) zunehmend häufiger im Winter als Standvogel in Mitteleuropa bleibt und in Mistel früchten ein willkommenes Futter gefunden hat. Eine Drossel kann 6 bis 8 Früchte pro Mahlzeit verzehren. Der Samen der Mistel bleibt bis zu 30 Minuten im Darm der Vögel. Aus der Verweildauer und der Fluggeschwindigkeit läst sich berechnen, dass die Drossel den Samen unter Umständen in einem Radius von mehreren Kilometern verbreiten kann.
Die zunehmend milderen Winter führen auch zu einer Konkurrenzstärkung der Mistel, bedingt durch ihre immergrünen Blätter. Der Schmarotzer kann dann auch im Winterhalbjahr auf die eingelagerten Nährstoffe im Holz des Wirtes zugreifen, was die Bäume zusätzlich schwächt. Sommerhitze, Trockenstress, aber auch Nährstoffmangel schwächen die Wirtsbäume. Auch wärmere Frühjahre begünstigen die Vermehrung der Misteln, denn ab März/April beginnen die Mistelsamen bei Temperaturen von 8 bis 10 °C zu keimen, die optimale Temperatur liegt bei 15 bis 20 °C.


Befall einzelner Apfelsorten

Im Rahmen von Kartierungsarbeiten auf den 250 ha Streuobstwiesen in Filderstadt wurden 13 500 Apfelbäume von fast 200 Sorten aufgenommen. 688 Bäume waren mit Misteln besetzt, dies entspricht einer Befallsrate von 5,1 % (siehe Tabelle 1). Dass der Befall vom Alter der Bäume abhängt, ist nicht erstaunlich: So waren 86,5 % der befallenen Bäume älter als 50 Jahre, von den bis zu 25 Jahre alten Bäumen waren dagegen nur 1,6 % befallen.
Interessanter ist die unterschiedliche Reaktion der einzelnen Sorten. Den höchsten Mistelbesatz zeigte ‘Roter Ziegler’ mit 31 %, gefolgt von ‘Luikenapfel’ (17,3 %) und ‘Spätblühender Taffetapfel’ (17 %). Als recht robust zeigt sich dagegen ‘Schöner aus Boskoop’ – von den 941 Bäumen waren nur 18 mit Misteln besetzt (1,9 %). Auch die Sorten ‘Brettacher’ und ‘Gewürzluiken’ zeigten sich mit 3,1 bzw. 5,7 % recht widerstandsfähig. Die genauen Ursachen müssen noch untersucht werden.

Tabelle 1


Rasante Vermehrung

4 Jahre nach der Kartierung wurde der Mistelbesatz in einem 10 ha großen Gewann mit 273 Apfelbäumen erneut ermittelt. Die Ergebnisse sind frustrierend: Waren im Herbst 2012 erst 15,8 % dieser Bäume von der Mistel befallen, so waren es im Februar 2017 bereits 46,5 % und damit fast die Hälfte (Tabelle 2). Innerhalb von nur 4 Jahren hat sich die Anzahl der befallenen Bäume verdreifacht! 59 % der infizierten Bäume sind älter als 50 Jahre, der Befall bei Jungbäumen (bis 25 Jahre) liegt nur bei 3 %.

Tabelle 2

Deutlich erhöht hat sich aber auch der Besatz auf den 2012 schon befallenen Bäumen – leider wurde damals die Anzahl der Misteln pro Baum nicht festgehalten. Im Februar fanden sich auf 13 % der Bäume bis zu 20 Misteln und bei 14 % sogar mehr als 20. Einzelne Bäume waren mit über 50 Misteln besetzt. Neu befallen waren vor allem Randbäume und Bäume in der Nähe bereits mit Misteln besetzter Bäume. Es zeigte sich, dass bei starkem Befall die 2012 vermutete Resistenz bei den Sorten ‘Brettacher’ und ‘Gewürzluiken’ nicht mehr vorhanden ist, denn 2017 waren 44 bzw. 60 % der Bäume mit der Mistel befallen. Nur die Sorte ‘Boskoop’ zeigte sich mit nur 17,6 % Befall noch relativ resistent. Erstaunlicherweise ist der sonst recht vitale ‘Bittenfelder’ sehr anfällig für Mistelbefall. 9 der 13 Bäume waren bei der Februar-Kartierung mit Misteln besetzt, also fast 70 %.

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