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Pflanzenschutz

So regulieren Pflanzen ihre Abwehr

Das Immunsystem von Tomaten ähnelt dem menschlichen auffällig stark, wie ein Forschungsteam der Universitäten Tübingen und Hohenheim aus Erkenntnissen zur Abwehrreaktion der Pflanzen schlussfolgerte. Dabei spielt die Aktivierung und Deaktivierung von Abwehrreaktionen eine entscheidende Rolle.

von Uni Hohenheim erschienen am 11.11.2025
Mithilfe eines raffinierten Systems aktivierender und inaktivierender Signalmoleküle können Tomatenpflanzen harmlose Verletzungen von bedrohlichen Angriffen durch Fressfeinde unterscheiden. © Universität Hohenheim / Max Kovalenko
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Nachtschattengewächse, wie Tomatenpflanzen, besitzen ein erstaunlich fein abgestimmtes Abwehrsystem, das sie vor Schädlingen und Krankheitserregern schützt. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Signalmolekül Systemin. Es löst in den Zellen der Pflanze Abwehrreaktionen aus, wenn etwa Insekten Fraßschäden verursachen. Dann produzieren sie Substanzen, die gezielt die Verdauung ihrer Fressfeinde beeinträchtigen, sodass diese die aufgenommenen Nährstoffe nicht verwerten können.

Doch wie beim menschlichen Immunsystem ist eine dauerhafte oder unkontrollierte Aktivierung gefährlich. Sie kann das normale Wachstum und die Entwicklung stark beeinträchtigen. Ein natürlicher Gegenspieler des Systemins, ein Peptid namens AntiSys, verhindert jedoch, dass das Abwehrsystem der Tomate überreagiert.

AntiSys blockiert Systemin-Rezeptor

Diese Entdeckung erweitert das Verständnis der pflanzlichen Immunität und zeigt, dass nicht nur Abwehrsignale, sondern auch deren natürliche Gegenspieler entscheidend für das Gleichgewicht zwischen Wachstum und Schutz sind. Die Studie ist Ergebnis einer Kooperation im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 1101 „Molekulare Kodierung von Spezifität in pflanzlichen Prozessen“.

„AntiSys bindet zwar an den gleichen Rezeptor wie Systemin, aber ohne ihn zu aktivieren. Da AntiSys in gesunden Pflanzen überwiegt, besetzt es den Rezeptor und stellt so sicher, dass das Immunsystem inaktiv bleibt“, erklärt Professor Andreas Schaller von der Universität Hohenheim. Wird die Pflanze jedoch von Insekten befallen, wird Systemin in großen Mengen freigesetzt und besetzt die Rezeptoren. Die Immunreaktionen werden dadurch ausgelöst.

Wie entscheidend AntiSys ist, zeigen Pflanzen, denen dieses Peptid fehlt. Die Forschenden erzeugten Mutanten, die kein AntiSys bildeten. Aufgrund der unkontrollierten Aktivierung des Immunsystems wuchsen diese Pflanzen deutlich schlechter, bildeten weniger Früchte und zeigten teils drastische Fehlbildungen.

Potenzial für die Züchtung

Die Forschenden fanden AntiSys auch in verwandten Nachtschattengewächsen wie Aubergine, Kartoffel oder Paprika, was auf eine wichtige, in der Evolution seit langem bewährte Funktion schließen lässt. „Unsere Entdeckung wirft die Frage auf, ob ähnliche Gegenspieler auch in anderen Pflanzenarten existieren – und ob sie sich gezielt nutzen lassen, um Kulturpflanzen widerstandsfähiger, aber zugleich wachstumsstark zu machen“, sagt Professor Georg Felix vom Zentrum für Molekularbiologie der Pflanzen (ZMBP) der Universität Tübingen.

Parallelen zum menschlichen Immunsystem

Die Forschenden sehen auffällige Parallelen zum menschlichen Immunsystem, wo ebenfalls spezielle Antagonisten die Wirkung von aktivierenden Zytokinen dämpfen, um Entzündungsreaktionen im Gleichgewicht zu halten. Fehlt der Antagonist, ist die Balance gestört und es kommt zu Autoimmunerkrankungen, wie beispielsweise rheumatoider Arthritis, oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa.

In Tomaten erfüllt AntiSys diese Aufgabe, indem es die Balance zwischen Abwehr und gesundem Wachstum ermöglicht. Ohne AntiSys kommt es zu Störungen in Wachstum und Entwicklung, die mit einer chronischen Entzündungsreaktion vergleichbar sind. „Der Rezeptor wird sozusagen ‚unabsichtlich‘ aktiviert, und Immunreaktionen werden ausgelöst, obwohl gar kein Insektenbefall vorliegt“, erläutert Professor Felix.

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