Kleine Tomaten, große Wirkung
Tomatenpflanzen, die kaum größer werden als ein Salatkopf und trotzdem reiche Ernten liefern: Ein Forschungsteam hat mit der Genschere CRISPR/Cas9 kompakte Tomatenlinien entwickelt, die sich ideal für die vertikale Landwirtschaft eignen. Diese benötigen weniger Platz, blühen schneller, reifen synchron und können bis zu 180 Prozent höhere Erträge erbringen.
von Redaktion Pflanzenforschung.de erschienen am 26.09.2025Die Idee klingt futuristisch: Hochhäuser in Metropolen dienen als Treibhäuser, auf mehreren Etagen wachsen Gemüse und Obst unter LED-Licht. Vertical Farming könnte die Versorgung von Städten sichern, Transportwege verkürzen und den Anbau unabhängig von Klimaextremen machen. Bisher werden jedoch fast ausschließlich Blattgemüse wie Salate angebaut, da viele Kulturpflanzen schlicht zu groß und zu wenig effizient für den platzsparenden Anbau sind. Genau hier setzt eine neue Studie an, die Tomaten mithilfe moderner Genomeditierung an die besonderen Bedingungen der vertikalen Landwirtschaft anpasst.
Das Ziel: Ein Gen für die Pflanzenarchitektur
Das Forschungsteam nahm die traditionsreiche Tomatensorte Ailsa Craig als Ausgangsbasis. Diese bildet viele wohlschmeckende Früchte, wächst aber bis zu zwei Meter hoch – ungeeignet für mehrstöckige Systeme. Mit der Genschere CRISPR/Cas9 griffen die Forschenden in Gene ein, die schon aus der klassischen Pflanzenzüchtung bekannt sind.
Eine zentrale Rolle spielt dabei das Gen SlGA20ox1, das an der Bildung des Pflanzenhormons Gibberellin beteiligt ist. Dieses Hormon wirkt wie ein inneres Wachstumsprogramm: Es regt die Zellteilung und vor allem die Zellstreckung an. Wenn dieses Gen ausgeschaltet wird, produziert die Pflanze weniger Gibberelline und bleibt dadurch kleinwüchsig. Genau dieses Prinzip lag schon der „Grünen Revolution“ in den 1960er-Jahren zugrunde: Bei Weizen wurden ähnliche Gene gezielt verändert, sodass Zwerg- und Halbzwergsorten entstanden, die weniger anfällig fürs Umknicken waren und deutlich höhere Erträge lieferten. Die neue Tomatenforschung knüpft also direkt an eine der erfolgreichsten Innovationen der modernen Landwirtschaft an.
Die Ernte beschleunigen
Zusätzlich kombinierten die Forschenden das ausgeschaltete Wachstums-Gen mit Mutationen in zwei weiteren Genen: SP und SP5G. SP hält die Pflanze im vegetativen Wachstum und verhindert, dass sie zu früh auf Blütenbildung umschaltet. Wird dieses Gen ausgeschaltet, hört die Pflanze früher mit dem Längenwachstum auf und bildet eine kompakte, buschige Architektur. SP5G verzögert normalerweise die Blüte vor allem bei langen Tagen, indem es das Blühsignal, das sogenannte Florigen, unterdrückt. Ohne SP5G setzt die Blüte schneller und gleichmäßiger ein. Das Zusammenspiel dieser Veränderungen führt dazu, dass die Pflanzen kompakt bleiben, früher blühen und ihre Früchte synchron abreifen – ein entscheidender Vorteil für automatisierte Erntesysteme.
Hoher Ertrag im Miniaturformat
In Tests in einer kommerziellen Vertical-Farming-Anlage konnten die neu gezüchteten Linien dicht an dicht in 40 Zentimeter hohen Hydroponik-Modulen kultiviert werden – eigentlich gedacht für Salat. Der Platzbedarf pro Pflanze sank um 85 Prozent, während der Anteil der Fruchtmasse im Verhältnis zur Biomasse deutlich anstieg. Die Ernte konnte deutlich früher beginnen, und insgesamt ließ sich der Ertrag pro Pflanze um 180 Prozent steigern.
Perspektiven für die Stadtlandwirtschaft
Diese Resultate zeigen, wie sich Erfahrungen aus der klassischen Pflanzenzüchtung mit den Möglichkeiten der Genomeditierung kombinieren lassen, um innerhalb weniger Jahre maßgeschneiderte Pflanzensorten für neue Anbausysteme zu entwickeln. Kompakte Tomaten, die auf engem Raum hohe Erträge bringen, könnten dazu beitragen, Vertical Farming auch für Fruchtgemüse wirtschaftlich attraktiv zu machen – und so einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherung im urbanisierten 21. Jahrhundert leisten.
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