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Verlust von Arten

Nahrungsnetze werden instabil

Eine neue Studie zeigt, wie der Verlust von Arten in bestimmten Lebensräumen wie Feuchtgebieten oder Agrarflächen das ökologische Gleichgewicht ganzer Regionen gefährden kann. Entscheidend sind nicht nur seltene Arten, sondern auch häufige – und die ökologische Vernetzung zwischen Lebensräumen.

von Redaktion Pflanzenforschung.de erschienen am 27.09.2025
Der Siebenpunkt-Marienkäfer – unscheinbar, aber entscheidend: Als natürlicher Schädlingsbekämpfer ist er ein Schlüsselakteur in vielen Nahrungsnetzen. Sein Rückgang hätte spürbare Folgen für die Stabilität von Agrarökosystemen © Violetta Honkisz/Shutterstock.com
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Wenn Arten verschwinden, bricht oft mehr zusammen als nur ein einzelner Ast im Baum des Lebens: Ganze ökologische Netzwerke geraten ins Wanken. Eine neue Studie in Communications Biology hat das für die Schweiz systematisch untersucht – und zeigt, wie sensibel regionale Nahrungsnetze auf das Aussterben bestimmter Arten reagieren. Besonders kritisch: der Verlust häufig vorkommender Arten und von Arten in Feuchtgebieten. Die Ergebnisse sind ein Weckruf für den Naturschutz und haben auch Folgen für die Landwirtschaft.

Arten, Netzwerke, Landschaften

Das Forschungsteam um Merin Reji Chacko und Loïc Pellissier nutzte eine beeindruckende Datengrundlage: ein sogenanntes „Metaweb“ mit 7808 Pflanzen-, Tier- und Pilzarten und über 280.000 dokumentierten Fressbeziehungen. Daraus wurden zwölf regionale Nahrungsnetze für verschiedene Höhenlagen und Landschaften der Schweiz abgeleitet – von den Alpen bis zum Mittelland. Anhand von Modellen simulierten die Forschenden verschiedene Szenarien, in denen Arten gezielt aus bestimmten Lebensräumen oder nach ihrer Häufigkeit entfernt wurden.

Das Ziel: herauszufinden, wie stabil oder anfällig die ökologischen Netzwerke sind, wenn Arten nach realistischen Mustern aussterben – zum Beispiel, weil ein Lebensraum verschwindet oder eine ehemals häufige Art unter Druck gerät.

Feuchtgebiete und Agrarlandschaften besonders sensibel

Das Ergebnis: Besonders verheerend wirkt sich das Aussterben von Arten aus Feuchtgebieten aus. Obwohl sie nur rund 30?% der Arten im Netzwerk stellen, sind diese Arten an fast 70?% aller dokumentierten Wechselwirkungen beteiligt – vor allem, weil viele von ihnen Lebensräume verknüpfen. Dazu gehören etwa Wasserinsekten mit landlebenden Stadien oder Amphibien. Wenn diese Arten wegfallen, zerfallen die Nahrungsnetze schnell in isolierte Fragmente – mit gravierenden Folgen für Energiefluss und ökologische Stabilität.

Feuchtgebiete zählen zu den artenreichsten Lebensräumen – ihr Verlust kann ganze Nahrungsnetze destabilisieren und wichtige Funktionen im Ökosystem gefährden
Feuchtgebiete zählen zu den artenreichsten Lebensräumen – ihr Verlust kann ganze Nahrungsnetze destabilisieren und wichtige Funktionen im Ökosystem gefährden © Theresa Petsch

Häufige Arten als Schlüssel für Stabilität

Entgegen einer verbreiteten Annahme waren es nicht die seltenen Arten, deren Verlust die Netzwerke am stärksten beeinträchtigte – sondern die häufigen. Diese oft übersehenen „Allerweltsarten“ wie bestimmte Insekten oder Pflanzen tragen entscheidend zur Stabilität der ökologischen Beziehungen bei. Sie fungieren als Knotenpunkte in den Nahrungsnetzen, die verschiedene Arten miteinander verbinden.

Die Simulationen zeigten: Wenn häufige Arten zuerst verschwinden, zerfallen die Netzwerke deutlich schneller und in kleinere Fragmente als beim Verlust seltener Arten. Der Grund: Die verbleibenden Arten verlieren ihre Verbindung zueinander – viele Interaktionen brechen gleichzeitig weg.

Folgen für Landwirtschaft und Ökosystemleistungen

Die Studie macht deutlich, dass der Verlust von Arten nicht nur ein Thema für Naturschutzgebiete ist, sondern auch die Funktionalität landwirtschaftlicher Systeme bedrohen kann. Agrarlandschaften hängen stark von ökologischen Interaktionen ab – etwa zwischen Pflanzen und Bestäubern, Schädlingskontrolle durch Räuber oder Nährstoffkreisläufen. Der Verlust häufig vorkommender Arten oder ganzer Artengruppen kann diese Leistungen empfindlich stören.

Besonders problematisch: Viele Generalisten, die für die Stabilität von Agrarökosystemen entscheidend sind, sind gleichzeitig durch intensive Landwirtschaft, Pestizideinsatz oder Lebensraumverlust bedroht. Kommen solche Verluste geballt vor, droht ein Kipppunkt, an dem Nahrungsnetze zusammenbrechen – mit Folgen für die Produktivität, Ertragssicherheit und Resilienz landwirtschaftlicher Systeme. Die Studie unterstreicht damit, dass der Schutz ökologischer Netzwerke und ihrer Vielfalt nicht im Widerspruch zur Landwirtschaft steht, sondern eine Voraussetzung für ihre langfristige Zukunft ist.

Was heißt das für den Naturschutz?

Die Autoren fordern: Schutzstrategien müssen stärker auf die Stabilität ganzer Netzwerke und Landschaften zielen – und nicht nur auf einzelne seltene Arten. Besonders wichtig sei der Erhalt und die Wiederherstellung von Feuchtgebieten, die wie biologische Knotenpunkte wirken. Auch Agrarlandschaften sollten als integraler Bestandteil naturnaher Netzwerke verstanden werden – etwa durch Förderung extensiver Bewirtschaftung, Vernetzung von Lebensräumen und Schutz häufiger Generalisten.

Hecken und Feldraine verbinden Lebensräume in Agrarlandschaften – sie fördern die Artenvielfalt und stärken die ökologische Stabilität von Nahrungsnetzen
Hecken und Feldraine verbinden Lebensräume in Agrarlandschaften – sie fördern die Artenvielfalt und stärken die ökologische Stabilität von Nahrungsnetzen © Theresa Petsch

Die Studie liefert damit ein starkes Argument für mosaikartige Landschaften mit vielfältigen Lebensräumen und Arten – nicht nur aus ästhetischen oder ethischen Gründen, sondern als Fundament stabiler, robuster Ökosysteme.

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