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Wilde Pflanzen, stille Helfer

Bedeutung der Mikroben unterschätzt

Unsere Ernten geraten unter Druck – durch Klimawandel, Bodenverlust und schrumpfende Biodiversität. Auch die mikrobielle Vielfalt in den Böden schwindet, ausgelöst durch Dünger, Pestizide und Monokulturen. Eine neue Studie sieht nun Hoffnung im Verborgenen: in den wilden Verwandten unserer Kulturpflanzen und ihren Mikrobenpartnerschaften.

von Redaktion Pflanzenforschung.de erschienen am 06.09.2025
Samen einer Wilden Möhre ( Daucus carota ) © Maxal Tamor/shutterstock.com
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In der Erde, genauer gesagt im Rhizosphärenraum rund um die Wurzeln der Pflanzen, leben Milliarden Mikroorganismen: Bakterien, Pilze und andere Kleinstlebewesen, die Pflanzen mit Nährstoffen versorgen, sie vor Krankheitserregern schützen und ihre Widerstandskraft stärken. Diese Mikroben gelten inzwischen als „zweites Genom der Pflanze“, so tiefgreifend beeinflussen sie Wachstum, Gesundheit und Anpassungsfähigkeit. In natürlichen Ökosystemen haben sich Pflanzen und Mikroorganismen über Jahrtausende hinweg gemeinsam entwickelt – sie bilden komplexe, oft hoch spezialisierte Lebensgemeinschaften.

Doch durch Züchtung, Domestikation und den Wandel hin zu intensiv bewirtschafteten Agrarflächen ist vieles von dieser Koevolution verloren gegangen. Moderne Kulturpflanzen wachsen oft in Regionen fernab ihrer Ursprungsgebiete, in Böden, die stark gedüngt und regelmäßig mit Pestiziden behandelt werden. Die Folge: Die Vielfalt der nützlichen Mikroben sinkt, wichtige Symbiosen – etwa mit Mykorrhizapilzen – werden unterdrückt oder ganz zerstört. Damit schwinden auch Eigenschaften wie eine effiziente Nährstoffaufnahme oder Resilienz gegenüber Umweltstress.

Was Wildpflanzen besser machen

Die neue Studie, veröffentlicht in Nature Communications, betont die Rolle der wildlebenden Verwandten unserer Nutzpflanzen – der sogenannten „Crop Wild Relatives“ (CWR) – als Reservoir für mikrobiologische Vielfalt. Diese Pflanzen wachsen oft noch in ihren natürlichen Lebensräumen und pflegen dort enge Partnerschaften mit einer Vielzahl nützlicher Mikroorganismen. Genau diese Partnerschaften, so die Forschenden, könnten entscheidend sein, um künftige Kulturpflanzen robuster und umweltverträglicher zu gestalten.

Denn Wildpflanzen rekrutieren besonders vielfältige und funktional wertvolle Bodenmikroben. Sie tun dies gezielt über ihre Wurzelausscheidungen – chemische Signale, mit denen sie „ihre“ Mikroben anlocken. Die Zusammensetzung dieser Exsudate beeinflusst, welche Bakterien oder Pilze sich in der Nähe ansiedeln – ein Mechanismus, der in der modernen Landwirtschaft oft kaum noch wirkt, weil er durch Düngung und Pflanzenschutzmittel überlagert wird.

Schutzräume für wilde Partnerschaften

Um dieses Potenzial nicht zu verlieren, schlagen die Autor:innen der Studie vor, sogenannte „CWR-Biodiversitätssanctuaries“ einzurichten: Schutzgebiete, in denen Wildpflanzen gemeinsam mit ihren mikrobiellen Begleitern in ihren ursprünglichen Lebensräumen erhalten und erforscht werden. Derartige Schutzräume würden nicht nur genetische Vielfalt sichern, sondern auch die evolutionär gewachsenen Pflanze-Mikroben-Beziehungen bewahren – ein biologisches Kapital mit enormem Potenzial für die Landwirtschaft.

Ein Beispiel für solch eine integrative Schutzstrategie liefert das IsWEL-Projekt in Deutschland. Im Rahmen dieser vom Julius Kühn-Institut koordinierten Initiative wurde im Naturdenkmal „Trog“ bei Quedlinburg das erste genetische Erhaltungsgebiet für sogenannte Wildpflanzen für Ernährung und Landwirtschaft (WEL) eingerichtet. Dort wachsen u.?a. wilde Möhren, Spargel und Vogel-Wicke – allesamt Verwandte heutiger Kulturpflanzen. Durch extensive Beweidung mit Schafen bleibt der halboffene Lebensraum erhalten, Samen werden verbreitet, und die typische Artenvielfalt bleibt bestehen. Zusätzlich wird Saatgut gesammelt und in Genbanken eingelagert. So dient das Gebiet nicht nur dem unmittelbaren Schutz vor Ort, sondern auch als genetische und mikrobielle „Sicherheitskopie“ für die Zukunft.

Insgesamt sollen im Rahmen des Projekts rund 60 solcher genetischen Erhaltungsgebiete bundesweit ausgewiesen werden – überall dort, wo besonders viele wildlebende Verwandte wichtiger Kulturpflanzen vorkommen.

Forschung für die Praxis

Die Studie zeigt auch Wege auf, wie sich das Wissen über nützliche Wildpflanzenmikroben in die landwirtschaftliche Praxis überführen lässt. So könnten Züchtungsprogramme gezielt Gene aus Wildpflanzen nutzen, die die Anlockung oder Nutzung bestimmter Mikroben fördern. Wichtige Zielmerkmale sind dabei etwa die Wurzelarchitektur, die Zusammensetzung der Exsudate oder bestimmte Signalwege, über die Pflanzen mit Mikroorganismen kommunizieren.

Darüber hinaus könnten gezielt entwickelte mikrobielle „Cocktails“ – sogenannte SynComs – helfen, wichtige Mikroben aus Wildpflanzen in die Felder zurückzubringen. Dabei werden besonders nützliche Mikroorganismen aus Wildpflanzen extrahiert, kombiniert und als Bodeninokulum für moderne Kulturpflanzen eingesetzt. Erste Versuche zeigen vielversprechende Ergebnisse, etwa bei der Verbesserung der Stickstoffverfügbarkeit oder der Krankheitsresistenz.

Internationale Zusammenarbeit gefragt

Damit all das gelingt, braucht es nicht nur Forschung, sondern auch internationale Kooperation, politische Rahmenbedingungen und langfristige Finanzierung. Bisherige Schutzprogramme konzentrieren sich meist auf die genetische Vielfalt von Wildpflanzen – die Mikroben werden oft übersehen. Die Autor:innen der Studie fordern daher eine globale Initiative, die Wildpflanzen und ihre Mikrobiome gemeinsam schützt, erforscht und nutzt.

Ein zentrales Element wäre dabei eine globale „Rote Liste“ gefährdeter CWR-Arten, die auch die zugehörige mikrobielle Vielfalt berücksichtigt. Ergänzend könnten Bodenproben archiviert, genetische Informationen standardisiert erfasst und mithilfe von KI analysiert werden. Entscheidend ist: Das Wissen über Pflanze-Mikroben-Beziehungen muss in praktische Züchtungs- und Anbaustrategien überführt werden – von der Grundlagenforschung bis aufs Feld.

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