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Mehr Vielfalt, größere Früchte

In Multi-Habitat-Landschaften werden Erdbeeren größer

Wenn in einer Landschaft unterschiedliche Habitate vereint sind, reagieren die Ökosysteme stabiler auf äußere Einflüsse und kompensieren besser, wenn einzelne Arten aussterben. Auch die Bestäubungsleistung und Schädlingskontrolle profitieren vom Habitat-Mix.

von Red/Pflanzenforschung.de erschienen am 14.10.2024 DOI: Zur Studie: doi: 10.1038/s41586-024-07825-y
Landschaften mit Habitat-Mix bringen bessere Bestäuberleistungen, also z. B. auch größere Erdbeeren © Theresa Petsch
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Ob Grasland, Wald oder Sanddünen: Jeder Lebensraum hat seine eigene Tier- und Pflanzenwelt. Was aber geschieht, wenn diese Lebensräume nicht weit getrennt voneinander existieren, sondern räumlich innerhalb einer Landschaft eng verbunden sind? Wie wirkt sich das etwa auf die Stabilität der Artenvielfalt aus oder auf die Größe der Ökosystemleistungen? Diesen wenig erforschten Fragen ist nun ein Team im Südwesten Großbritanniens nachgegangen und hat festgestellt: Je mehr Lebensräume eine Landschaft aufweist, desto besser für Natur und Mensch.

Der Vergleich: ein, zwei oder drei Habitate

Das Forschungsteam hat 30 Standorte von jeweils neun Hektar Größe untersucht. Auf diesen Flächen fanden sich unterschiedliche Habitate: Grasland, Heideflächen, Waldgebiete, Salzwiesen, Sanddünen und Buschland. Zehn Standorte wiesen nur eines der Habitate auf, weitere zehn Standorte vereinten zwei Habitate, die übrigen sogar drei.

Im Verlauf von zwei Jahren erfassten die Forscher:innen rund 11.500 Interaktionen zwischen 154 Pflanzen- und 954 Insektenarten, darunter Pflanze-Bestäuber-Beziehungen und Wechselwirkungen zwischen Pflanzen, Herbivoren und Parasitoiden. Außerdem katalogisierte das Team die Artenvielfalt, die Häufigkeit der Arten, wie robust das Ökosystem auf den Verlust einzelner Arten reagiert und wie gleichmäßig die Interaktionen zwischen den Arten verteilt sind. Nicht zuletzt testeten die Forscher:innen anhand von Erdbeerpflanzen die Bestäubungsleistung auf den jeweiligen Standorten.

Mehr Habitate = größere Vielfalt und größere Stabilität

Grenzen in einer Landschaft unterschiedliche Habitate aneinander, können Arten im benachbarten Habitat die Funktion anderer Arten komplementieren oder ersetzen
Grenzen in einer Landschaft unterschiedliche Habitate aneinander, können Arten im benachbarten Habitat die Funktion anderer Arten komplementieren oder ersetzen © Theresa Petsch

Die Ergebnisse zeigen, dass Landschaften mit mehreren unterschiedlichen Lebensräumen eine höhere Artenvielfalt und eine gleichmäßigere Verteilung von Arteninteraktionen aufweisen. Obwohl die Anzahl der Bestäuber und der Bestäuberarten nicht zwangsläufig höher war, war die Qualität der Bestäubung in Landschaften mit vielfältigeren Lebensräumen besser.

So bildeten die Erdbeeren in Landschaften mit drei Habitaten symmetrischere und größere Früchte als in Landschaften mit einem Habitat. Bei Erdbeeren ist das ein Zeichen für eine bessere Bestäubungseffizienz. Eine Erklärung könnte sein, dass sich die Ernährungsvorlieben der Insekten in Landschaften mit drei Habitaten stärker unterschieden und sich dadurch besser ergänzen.

Ein weiteres zentrales Ergebnis der Studie ist die größere Stabilität von Netzwerken in Landschaften mit mehreren Lebensräumen. Die Robustheit von Lebensgemeinschaften bei Verlust einzelner Arten zeigte weniger Variabilität. Das bedeutet, dass Landschaften mit vielfältigen Lebensräumen eine stabilere Funktion aufrechterhalten können, selbst wenn etwa infolge des Klimawandels die Artenzahl abnimmt. Wo nur ein Habitat vorliegt, ist das Risiko größer, dass ein Artverlust ein kaskadenartiges Artensterben nach sich zieht. Um diese Simulation möglichst realistisch durchzuführen, hatten die Forscher im Modell zunächst vor allem jene Pflanzenarten aus einem Standort entfernt, die dort besonders selten waren. Später wurden dann auch häufiger vertretene Arten entnommen.

Benachbarte Habitate ergänzen sich

Anhand von Modellen konnte die Studie nachweisen, dass die vielfältigeren Landschaften nicht nur deshalb vorteilhaft waren, weil mehrere Habitate gleichzeitig auch eine größere Artenvielfalt bedeuten. Vielmehr zeigen die Daten, dass eng benachbarte Habitate gegenseitig voneinander profitieren. Das erklärt sich beispielsweise durch wandernde Individuen: Arten, die aus benachbarten Habitaten einwandern, erfüllen vielleicht die gleiche Funktion wie Arten, die dort bevorzugt leben. Auf Störungen aber können sie ganz unterschiedlich reagieren, sodass einwandernde Arten Funktionsverluste dort heimischer Arten kompensieren können.

Ebenso können einwandernde Arten andere Funktionen erfüllen und so vielleicht Nischen füllen, die zuvor unbesetzt waren. Das könnte beispielsweise die Ökosystemleistungen steigern. Nicht zuletzt stehen Arten durch benachbarte Habitate alternative Ressourcen zur Verfügung, wenn die üblichen Ressourcen im gewohnten Habitat gestört sind.

Die Studie zeigt, dass heterogene Landschaften, also Landschaften mit mehreren verschiedenen Lebensräumen, die ökologische Stabilität und Funktionalität verbessern. Dies ist besonders relevant für Naturschutz- und Landmanagementstrategien, die zunehmend auf die Landschaftsebene abzielen.

Oftmals gibt es derzeit Bestrebungen, gleiche Lebensräume zu größeren Einheiten zu verbinden, etwa auch im europäischen Natura-2000-Netzwerk. Tatsächlich könnte es der Studie zufolge aber genauso wichtig sein, die Vielfalt innerhalb einer Landschaft zu bewahren, wiederherzustellen oder sogar zu erhöhen.

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