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8. Süddeutscher Obstwiesenkongress

Neue Konzepte für alte Streuobstwiesen

Die Botschaft des 8. Süddeutschen Obstwiesenkongresses war klar: Ohne Pflege wird das Kulturgut Streuobstwiese nicht überleben. Fast 100 Teilnehmer folgten am 21. Oktober in der Hochburghalle in Sexau den Impulsvorträgen verschiedener Streuobstexperten und besuchten im Anschluss an die Tagung die Staatsdomäne Emmendingen-Hochburg.
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Die Teilnehmer im Wildobstareal des Streuobstmodellprojektes Emmendingen-Hochburg
Die Teilnehmer im Wildobstareal des Streuobstmodellprojektes Emmendingen-Hochburg
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Da der Erhalt des Kulturgutes Streuobstwiese nur durch das Engagement in bestimmten, dafür notwendigen Bereichen gelingen kann, gliederte Tagungsleiterin Brigitte Schindzielorz von der baden-württembergischen Akademie für Natur- und Umweltschutz die Veranstaltung in die Themenblöcke Motivation, Information und Aktion. Unterstützt wurde sie bei der Organisation vom Landratsamt Emmendingen, dem Kreisverband der Obst- und Gartenbauvereine Emmendingen (KOGL) sowie von LNV, NABU und BUND, der Landesverband für Obstbau, Garten und Landschaft Baden-Württemberg (LOGL) war federführend an der Durchführung des Kongresses beteiligt.

8. Süddeutscher Obstwiesenkongress Fast 100 Teilnehmer füllten die Hochburghalle in Sexau

Motivation als Grundlage

Nach Grußworten von LOGL-Präsident Erhard Hahn und Hinrich Ohlenroth, Erster Landesbeamter beim Landkreis Emmendingen, berichtete Beate Holderied von ihrer Arbeit als Streuobstpädagogin. Im Rahmen des von der UN ausgezeichneten Projektes „Die Streuobstwiese – Unser Grünes Klassenzimmer“ begeistert sie Schulklassen für dieses Thema, indem sie den Kindern konkrete Naturerfahrung durch sehen, riechen, schmecken und fühlen in der Obstwiese ermöglicht und dadurch nicht nur die Sach- und Methodenkompetenz der Schüler stärkt, sondern auch ihre Sozialkompetenz und ihr Selbstbewusstsein. Dieser umfassende Bildungsansatz ist ein wichtiger Baustein beim Streuobstwiesen-Schutzkonzept, denn bekanntlich schützen Menschen später nur das, was sie kennen und schätzen.

Pflege und Erhalt von Beständen

Martin Schaarschmidt von der NABU-Initiative „Obstwiesen retten“ informierte über die Möglichkeiten, die Laubholzmistel auf vorwiegend alten Apfelhochstämmen zu bekämpfen (siehe dazu auch Artikel in O&G 11/2017). Durch Ausbrechen lässt sich die Mistel zwar nicht ganz entfernen, aber die Maßnahme reduziert zumindest den Befallsdruck, bis die Schmarotzerpflanze neu austreibt. Besser ist es, befallene Äste bis ins gesunde Holz zurückzuschneiden, was bei sehr starkem Befall aber nicht immer möglich ist, ohne den Baum massiv zu schädigen. Nur in Ausnahmefällen sollte ein Baum gerodet und dann besser durch eine andere Obstart ersetzt werden.

Die Ergebnisse eines Projektes zur Verwertung von Schnittholz stellte Prof. Dr. Christian Küpfer von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen vor. Dabei zeigte sich, dass man durch die Einrichtung von kostenlosen Häckselplätzen in den Gemeinden die Schnittmaßnahmen bei Streuobstbäumen erhöhen kann. Gleichzeitig lässt sich dadurch das Verbrennen des wertvollen Energieträges Schnittholz in den Obstwiesen stark eindämmen. Wichtig sind dabei eine gute Terminabsprache und gepflegte Häckselplätze an möglichst gut kontrollierbaren Stellen (sonst Gefahr von Vermüllung). Durch das zusätzliche Verleihen von Hochentastern konnten noch mehr Baumbesitzer motiviert werden, ihre Bestände zu schneiden. Die Kommunen müssen allerdingst die Organisation übernehmen und einen Unternehmer finden, der bereit ist, am Anfang mit geringen Häckselgutmengen zu beginnen in der Erwartung, dass die Menge und damit sein Erlös kontinuierlich steigen wird.

Wie wichtig die Bestäuberinsekten auch für die Obstwiesen sind, zeigte Gerhard Glock , Vorsitzender der Gemeinschaft zum Erhalt der Dunklen Biene e.V.(GEDB), am Beispiel dieser in der Natur nicht mehr überlebensfähigen Art. Obwohl die Dunkle Biene die ursprünglich bei uns heimische Art war, aus der schließlich auch die Honigbiene gezüchtet wurde, ist sie in ihrer Existenz bedroht. Die GEDB versucht deshalb mit ungewöhnlichen Methoden, diese wertvolle Bienenart weiter zu vermehren.

Paul Epp vom LTZ Augustenberg berichtete vom Problem zunehmender Vogelpickschäden im Erwerbs- und Hobbyobstbau. Das Ausmaß der Schäden hängt von Faktoren wie Wassermangel, Nahrungsmangel (auch durch wenig Wildobst) und insgesamt schlechteren ökologischen Rahmenbedingungen für die Vögel ab. Zur Abwehr eignen sich akustische Maßnahmen, Vogelscheuchen, Ablenkfütterung und die Einnetzung von Bäumen nur bedingt. Besser ist es, im Umfeld von Obstanlagen Wildobst anzupflanzen (Achtung: Gefahr von erhöhtem Kirschessigfliegenbefall) und Sitzstangen für Raubvögel aufzustellen.

Strukturen und Projekte

Um z.B. auf der Schwäbischen Alb die 30 000 ha Streuobstwiesen zu erhalten, braucht es einen Rahmen, der alle vorhandenen Strukturen zusammenfasst und koordiniert. Aus diesem Grund wurde der Verein WiesenObst e.V. gegründet mit dem Ziel, die EU-anerkannte geschützte Ursprungsbezeichnung „Schwäbisches Wiesenobst“ zu erlangen. Zu den Gründungsmitgliedern des Vereins gehören neben dem LOGL auch SlowFood und der Wirtschaftsverband VDAW, über den die Verwertungsseite einbezogen ist. Damit WiesenObst ganz unterschiedliche Ideologien unter einen Hut und dadurch möglichst viele Mitglieder bekommt, hat man neben verbindlichen Kriterien (z.B. Altbäume auf stark wachsenden Unterlagen, Pflanzdichte unter 155 Bäume/ha) ein Bonuspunkte-System eingeführt, das u.a. Faktoren wie Naturschutzmaßmaßnahmen, Erhalt alter Sorten und Baumschnittkonzepte belohnt. Der Verein verfolgt damit ganz bewusst einen pragmatischen Ansatz.

Zum Abschluss des theoretischen Teils der Tagung stellte LOGL-Geschäftsführer Rolf Heinzelmann das Konzept der CompetenzCentren für Obst & Garten als landesweite Bildungsoffensive vor, die auf bewährte und vorhandene Strukturen setzt (z.B. Schul- oder Lehrgärten; in Emmendingen soll die Staatsdomäne Hochburg einbezogen werden). Auf diese Weise sollen Obstwiesenbesitzer vor Ort mit Praxisinformation unterstützt werden, nicht zuletzt durch speziell dafür ausgebildete Obst- und Gartencoaches, die als Multiplikatoren agieren und in die Vereins- und Verbandsarbeit eingebunden werden. Mit dieser breit angelegten Bildungsoffensive möchte der LOGL seinem Bildungsauftrag im Bereich Obst und Garten gerecht werden.

Lothar Herb, Vorsitzender des KOGL Emmendingen, berichtete noch kurz über die Fachwartausbildung des LOGL. In Emmendingen startet Anfang 2018 der 8. Kurs, inzwischen gibt es bereits 224 Fachwarte im Landkreis, in ganz Baden-Württemberg über 5500.

Streuobstmodellprojekt auf der Hochburg Emmendingen

Als praktische Abrundung des Kongresses führte die abschließende Exkursion zur biologisch-dynamisch bewirtschafteten Staatsdomäne Emmendingen-Hochburg, um das dortige Streuobstmodellprojekt des verstorbenen Dr. Walter Lucke zu besichtigen. Dort wurden 1987 vorrangig typische Lokalsorten gepflanzt. Fachkundig geführt von Eva Rentschler, Obst- und Gartenbauberaterin beim LRA Emmendingen, bestaunte die Gruppe die rund 250 unter den Obstbäumen grasenden Demeter-Weidegänse, die den Grünaufwuchs auf der Obstwiese kurz halten sollen. Pro Hektar sind dazu nach Erfahrungen von Betriebsleiter Matthias Seifert 100 Gänse nötig, deren Aufenthaltsort man durch Tränken etwas steuern kann. Ob die Gänse die Baumstämme langfristig schädigen oder das Fallobst durch Kot zu stark verunreinigen, muss sich erst noch zeigen.

8. Süddeutscher Obstwiesenkongress Die Demeter-Weidegänse im Streuobstmodellprojekt Emmendingen-Hochburg

Im ebenfalls zum Streuobstmodellprojekt gehörenden Wildobstbereich stehen neben Birnensämlingen u.a. Speierling, Wildapfel und Esskastanie.

8. Süddeutscher Obstwiesenkongress Die Teilnehmer im Wildobstareal des Streuobstmodellprojektes Emmendingen-Hochburg

In letzten Gesprächen bei Apfelsaft, Kaffee und Kuchen tauschten die Kongressteilnehmer ihre vielfältigen Eindrücke von dieser gelungenen Veranstaltung aus.

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