Anpassungsstrategien gefragt
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Die Vorboten des Klimawandels im Obstbau schrecken auf, scheinen doch die Risiken für diesen Betriebszweig weitaus bedrohlicher zu sein als die Chancen, die beispielsweise eine längere Vegetationszeit bietet. Dabei sind längst noch nicht alle mit dem Klimawandel verbundenen Gefahren auf dem Tisch, denn noch ist viel zu wenig über Wechselwirkungen und Folgeprozesse bekannt, wenn –wie prognostiziert – die Temperatur weiter steigt. „Schnelle Lösungen, um Folgen des Klimawandels abzufedern, wird es daher nicht geben“, ist Katja Röser überzeugt. Andererseits unterstreicht die MaBo-Beraterin, dass sich die Landwirtschaft über Jahrhunderte hinweg als sehr anpassungsfähig erwiesen hat und dass nach derzeitigem Stand der Markt weitaus gravierendere Folgen für den Obstbau hat als der Klimawandel.
Deutliche Wetteränderung
Wie sich das Wetter in der Bodenseeregion in den vergangenen 27 Jahren verändert hat, belegte MaBo-Pflanzenschutzexperte Peter Triloff mit Daten. So wurde es im Durchschnitt ein Grad wärmer bei einer Abnahme der Niederschläge, aber einer leichten Zunahme der Blattnassdauer. Das Temperaturplus ist aber nicht gleichmäßig übers Jahr verteilt, vielmehr sind April, Juni und der Herbst deutlich wärmer geworden, während März und August kälter waren. Ferner erfolgte bei der Hälfte der Jahre der Austrieb bis zu drei Wochen früher.
Wärmer und trockener
Die häufigeren und stärkeren Hagelunwetter haben seit dem Jahr 2000 zu hohen Investitionen in Netze geführt. „Rund 70 Millionen Euro wurden bislang dafür ausgegeben, ohne dass der Markt dies honoriert hat“, bemerkt er. Parallel beobachtet Triloff seit 2003 eine Zunahme von Dürreperioden. „Damit steigt die Gefahr, dass die Bäume verdorren, wie dies in diesem Jahr teils zu beobachten war“, meint er.
Das veränderte Klima wirkt sich bereits auf die Ernte aus, deren Beginn am Bodensee sich in den letzten 35 Jahren um drei Wochen nach vorne verschoben hat. Geringere Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht im September führen zu Problemen bei der Ausfärbung. Das Risiko für Sonnenbrand steigt und neue Schädlinge und Krankheiten treten auf, bereits vorhandene verschärfen sich. Eine große Bedrohung ist das Risiko für Spätfröste, zumal das Wasser für eine Frostschutzberegnung der 8000 ha am Bodensee wohl kaum zur Verfügung steht. Ähnliches gilt für die Bewässerung, um Dürreschäden abzuwenden.
Folgen für die Produktion
Durch die zunehmende Hagelhäufigkeit wird unter Umständen ein Austausch der Netze in kürzeren Zeitabständen nötig. Dazu kommen beim Pflanzenschutz Fehl- oder Nachbehandlungen, weil der vorhergesagte Regen nicht kam oder weil Starkniederschläge den Belag abgewaschen haben. Und während traditionelle Sorten zunehmend Probleme wegen Übergröße, Ausfärbung und Haltbarkeit machen, wobei Triloff davon ausgeht, dass Jonagold langfristig wohl nicht mehr anbauwürdig ist, sieht er im Anbau wärmeliebenderer Sorten die einzige Chance, zumindest vorübergehend auf den Klimawandel zu reagieren.
Welkendes Laub, vertrocknete Fahrgassen sowie Nährstoffmangelsymptome bei Magnesium, Kalium und Stippe, das waren Beobachtungen von MaBo-Beraterin Elisabeth Feuerstein aus dem Hitzesommer. Weniger augenfällig sind eine eingeschränkte Photosynthese, was die Ertragsleistung drückt, eine generell verringerte Nährstoffverfügbarkeit sowie Veränderungen in der Bodenstruktur bei tonhaltigen Böden, wenn Wasser fehlt. Verschlämmte Böden und Schrumpfrisse können ebenfalls auftreten. Kommt der Niederschlag im Herbst und Winter geballt als Starkregen, fließt das Wasser wegen der schlechteren Infiltration oberflächlich ab. Die Beraterin sprach sich dafür aus, Neuanlagen künftig mit einer Bewässerung zu planen, um Erträge abzusichern und für einen guten Humusaufbau des Bodens zur besseren Wasserspeicherung zu sorgen.
Ein Auge auf den Boden
Über das EU-Projekt Life AgriAdapt, das Betrieben zeigen soll, wie sie sich durch nachhaltige Anpassungen besser auf den Klimawandel einstellen können, informierte Patrick Trötschler von der Bodenseestiftung. Dieses Projekt läuft in vier EU-Ländern, für die Durchführung in Deutschland ist die Bodenseestiftung zuständig. Auf Basis von Klimaprojektionen, die auf kleinräumig verfügbaren Daten basieren, wurden Klimaszenarien für die nächsten 25 Jahre erstellt. Ergänzt mit Ertragsdaten, Betriebsleiterbefragungen und einer Risikoanalyse wurde ein Klimawandel-Check entwickelt, der auf 30 Pilotbetrieben, darunter drei Obstbaubetriebe, erarbeitet und angewandt wurde. Wichtige Eckpunkte daraus sind ein erhöhtes Produktionsrisiko durch verstärkte Blütenfrostgefahr sowie zunehmender Wassermangel im Frühling und Sommer, weshalb der Boden ein zentrales Element werden wird, um sich mit dem Klimawandel auseinanderzusetzen. Im Gegenzug gibt es Chancen für eine bessere Qualität durch die längere Vegetationszeit, insbesondere für wärmeliebende und spätreifende Sorten.
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