Erziehungssysteme für Süßkirschen und neue Sorten
Auf der vergangenen expoSE in Karlsruhe fand erstmals das Steinobst-Forum statt. Obstbauberater Peter Hilsendegen vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz (DLR) stellte dort unter anderem Erziehungssysteme und neue Sorten für den Süßkirschenanbau vor. Aus den Infos für den Erwerbsobstbau können auch private Süßkirschenfans etwas mitnehmen.
von Regina Klein erschienen am 31.05.2025Spargel und (Erd)beeren, die Kombination kennen nicht nur Konsumenten, sondern auch Produzenten. Aber immer mehr Sonderkulturbetriebe steigen zusätzlich in den Steinobstanbau ein. Aus diesem Grund fand im vergangenen Herbst erstmals das Steinobst-Forum im Rahmen der Messe expoSE in Karlsruhe statt.
Ein herausfordernder Markt
Süßkirschen sind ein großer Markt in Deutschland. Insgesamt liegt der Verbrauch bei 180.000 t pro Jahr. Wichtigstes Lieferland ist die Türkei. Die Eigenproduktion in Deutschland von bis zu 40.000 t pro Jahr deckt nur rund 10 bis 20 % des Bedarfs.
Der Süßkirschenanbau ist zwar interessant, aber birgt auch einige Herausforderungen, wie Peter Hilsendegen ausführte. Einige Anbauländer in Europa, wie Serbien, Griechenland und Bulgarien haben ihr Anbauflächen in den vergangenen Jahren zum Teil massiv ausgeweitet, andere, wie Polen hingegen in erheblichem Umfang zurückgefahren. In Spanien verlagert sich der Anbau aufgrund von Wasserknappheit vom Süden in die Mitte und den Norden des Landes. Die hierbei entstehenden neuen Anlagen sind hochmodern und damit viel konkurrenzfähiger als die alten Anlagen in Südspanien.
Bei steigenden Produktionskosten, zum Beispiel bedingt durch den Mindestlohn, stagnieren oder sinken die Preise, was zu schmäleren Gewinnspannen führt. Neue Schaderreger und wegfallende Pflanzenschutzmittel belasten die Betriebe zusätzlich. Die Mittelmeerfruchtfliege, früher etwa alle zehn Jahre ein Problem in Deutschland, tritt nun regelmäßiger, wenn auch punktuell auf. Alles in allem wird der Markt für Süßkirschen schwieriger.
Das passende Erziehungssystem wählen
Größter Kostenblock ist, wie bei den meisten Sonderkulturen, die Ernte. Pro Hektar Anbaufläche ist mit Gesamtkosten von etwa 7370 Euro pro Jahr zu rechnen. Davon entfällt der Großteil auf Arbeitskosten. Folglich lohnt es sich, wenn die Ernte so effizient wie möglich gestaltet wird. Vor allem Sortenauswahl und Erziehungssystem haben Einfluss auf die Erlöse. Denn je größer die Früchte und höher die Vermarktungs-Klasse, umso höher der Verkaufspreis.
Um es gleich vorwegzunehmen: Das eine perfekte Erziehungssystem gibt es nicht. Hilsendegen warnt davor, ein Erziehungssystem auszuwählen, weil es gerade „in“ sei. Vielmehr müsse individuell geschaut werden, was zu den Gegebenheiten vor Ort und zur Verfügbarkeit von Arbeitskräften am besten passe. Auch sollten ein bereits eingespieltes System nicht unnötig gewechselt und ständig neue Anbaumethoden ausprobiert werden.
Spindel: Die Spindelerziehung ist ein bekannter Standard beim Baumobst und funktioniert gut. Die Investitionskosten halten sich im Rahmen und der Schnitt kann teilweise maschinell erfolgen. Die Erziehungsart ist für die meisten Sorten und Unterlagen geeignet. Allerdings bilden die Bäume größere Kronen aus, die Pflückleistung liegt nur im Mittelfeld und die Kronen müssen teilweise in Form gebracht werden.
UFO-System: Das Upright-Fruiting-Offshoots-System, kurz UFO, wurde ursprünglich für die maschinelle Ernte entwickelt. Voraussetzung sind sehr wüchsige Bedingungen am Standort. Alle 40 cm am Baum werden sogenannte Fruchtachsen über Zapfen etabliert. Alle drei bis vier Jahre wird die Hälfte dieser Fruchtachsen durch neue Zapfen ausgewechselt. Diese Anbaumethode verspricht einen hohen Ertrag in der Anfangsphase, der nach der Erneuerung der Zapfen jedoch schnell nachlässt. Das System bringt eine hohe Pflückleistung, aber auch einen erhöhten Arbeitsaufwand, was das Formieren und Ausdünnen angeht.
Drapeau-Merchand-Erziehung: Diese Erziehungsform ähnelt der UFO-Erziehung und kommt in der Praxis auch in Mischform mit dieser vor. Der Abstand der Fruchtachsen beträgt hier 60 cm. Diese sind in einem 90°-Winkel zur Hauptachse angegliedert. Bei großem Trockenstress kann durch einen Sommerschnitt und Pinzieren auf 40 bis 60 cm der Ertrag gesteigert werden. Bis zum ersten Ertrag vergehen in der Regel zwei bis drei Jahre. Das System neigt zu Überertrag und damit kleinen Fruchtgrößen. Pro Hektar werden etwa 600 bis 900 Bäume benötigt. Der Pflanzabstand beträgt 4-5 x 2,5-3 m.
Dichtpflanzung: Für die Dichtpflanzung (SSA = Superschlanke Schlanke Achse oder BiBaum) wird unverzweigtes Pflanzmaterial mit möglichst kurzen Internodien benötigt. Je nach Sorte können zur Förderung der Verzweigung in den ersten drei Standjahren sogenannte Kerbschnitte gesetzt werden. Im zweiten Jahr werden im Sommer alle einjährigen Triebe zurückgeschnitten. Bereits jetzt sind 70 bis 80 % Ertrag möglich. Spätestens im dritten Jahr ist dann mit einem Vollertrag zu rechnen.
Im Folgejahr sind alle Triebe bis auf wenige Knospen zu entfernen. Ein Schnitt ist jedes Jahr nötig. Belohnt wird das mit 150 bis 200 sehr großen Früchten pro Baum. Der Mehraufwand in den ersten vier Jahren im Vergleich zur Spindel amortisiert sich durch den frühen und hohen Ertrag wieder.
Aufgrund der hohen Investitionskosten eignet sich eine solche Anlage im Erwerbsobstbau vor allem für den geschützten Anbau.
Neue Sorten in der Übersicht
Neben Tipps zum Anbau hatte Obstbauberater Peter Hilsendegen auch erste Erfahrungsberichte zu neuen Sorten aus dem Versuchsanbau dabei, die nachfolgend steckbriefartig vorgestellt werden.
- Herkunft: Deutschland
- Blüte: früh
- Reifezeit: vier bis sechs Tage vor ‘Burlat’, erste Kirschwoche
- Frucht: große (> 27 mm), fest, süß, arm an Säure und Aroma, platzanfällig
- Ertrag: früh einsetzend, mittel bis gut, sehr enges Erntefenster
- Baum: mittelstarker Wuchs, wenig verzweigt, geringe Neigung zur Verkahlung
- Sonstiges: Erfahrungen mit längeren Lager- und Transportzeiten liegen noch nicht vor. Wird als Clubsorte mit Mindestanbaufläche von 0,5 ha vermarktet.
- Herkunft: Kalifornien
- Blüte: früh
- Reifezeit: zwei Tage nach ‘Burlat’, zweite Kirschwoche
- Frucht: groß (> 25 mm), mittelfest, süß, arm an Säure und Aroma, platzanfällig
- Ertrag: früh einsetzend, hoch, neigt zu Überbehang und Mindergrößen
- Baum: mittelstarker Wuchs, schwaches, hängendes Seitenholz
- Sonstiges: Sorte sollte ausgedünnt werden. Nach der Ernte schnell in Vermarktung geben. Auch für den Großhandel geeignet.
- Herkunft: Deutschland
- Blüte: früh
- Reifezeit: vier Tage vor ‘Burlat’, erste bis zweite Kirschwoche
- Frucht: groß (> 27 mm), fest, süß, arm an Säure und Aroma, platzanfällig
- Ertrag: früh einsetzend, höchstens mittel
- Baum: mittelstarker Wuchs, schwache Verzweigung, neigt zu Verkahlung
- Sonstiges: Fruchtgröße und -festigkeit sind top. Aufgrund des eher schlechteren Ertrags wird die Sorte jedoch nicht weiter verfolgt.
- Herkunft: Deutschland
- Blüte: früh
- Reifezeit: sechs Tage nach ‘Burlat’, dritte Kirschwoche
- Frucht: groß (> 28 mm), fest, süß, geringe Platzanfälligkeit
- Ertrag: früh einsetzend, hoch
- Baum: mittelstarker Wuchs, gute Verzweigung
- Sonstiges: gleichmäßige Fruchtqualität, gute Ersatzsorte für ‘Bellise’
- Herkunft: Italien
- Blüte: früh
- Reifezeit: fünf bis acht Tage nach ‘Burlat’, dritte Kirschwoche
- Frucht: groß (> 28 mm), fest, süß, platzanfällig
- Ertrag: früh einsetzend, sehr hoch
- Baum: mittlerer Wuchs, gute Verzweigung, leicht hängend, gewölbte Blattränder
- Sonstiges: neigt zu Überbehang und kleinen Früchten, eventuell für Frostlagen geeignet, wird nicht weiter verfolgt
- Herkunft: Italien
- Blüte: früh
- Reifezeit: sieben Tage nach ‘Burlat’, dritte Kirschwoche
- Frucht: groß (> 28 mm), fest, süß, platzanfällig
- Ertrag: früh einsetzend, mittel bis hoch
- Baum: mittelstarker Wuchs, gute Verzweigung, gering anfällig für Blatt-Pseudomonas
- Sonstiges: Ertragspotenzial am Anfang etwas enttäuschend
- Herkunft: Kalifornien
- Blüte: früh
- Reifezeit: zehn Tage nach ‘Burlat’, dritte Kirschwoche
- Frucht: groß (> 26 mm), fest, süß, platzanfällig
- Ertrag: früh einsetzend, hoch, regelmäßig, neigt zu Überbehang
- Baum: mittelstarker Wuchs, leicht aufrecht, neigt zur Verkahlung
- Sonstiges: Sehr fruchtbar, durch Überbehang Gefahr von zu kleinen Früchten, Sorte eher interessant als Befruchter (sf)
- Herkunft: Frankreich
- Blüte: mittelfrüh
- Reifezeit: zwölf bis 14 Tage nach ‘Burlat’, vierte Kirschwoche
- Frucht: groß (> 27 mm), fest, süß-aromatisch, geringe Platzanfälligkeit
- Ertrag: früh einsetzend, hoch, regelmäßig
- Baum: mittlerer Wuchs, waagerechte Verzweigung bis leicht hängend
- Sonstiges: Bei Überertrag reift die Sorte eine Woche später. Kann lange am Baum hängen bleiben. Trotz hohem Ertragsniveau werden große, fest Früchte ausgebildet.
- Herkunft: Deutschland
- Reife: wie ‘Kordia’, fünfte Kirschwoche
- Blüte: mittelspät
- Frucht: groß, mittlere bis gute Festigkeit, langer Fruchtstiel, wenig platzempfindlich
- Ertrag: früh, hoch
- Baum: gut verzweigend, hängende Fruchtäste, Verkahlung ähnlich ‘Kordia’
- Sonstiges: Sorte sollte früh geerntet werden, weil sie sonst am Baum weich wird. Bringt auch in Frostjahren einen guten Ertrag.
- Herkunft: Deutschland
- Blüte: spät
- Reifezeit: fünf bis sieben Tage vor ‘Regina’, sechste Kirschwoche
- Frucht: groß (> 26 mm), dunkelrot, sehr guter Geschmack, sehr fest, mittlere Platzanfälligkeit, langer Stiel, gute Lagerfähigkeit
- Ertrag: hoch, besser als ‘Regina’, Überbehang reduziert Fruchtgröße
- Baum: mittlerer Wuchs, waagerechte bis hängende Verzweigung, leicht anfällig für Pseudomonas
- Sonstiges: Konkurrenzsorte zu ‘Kordia’, noch wenig Erfahrung
- Herkunft: Deutschland
- Blüte: spät
- Reifezeit: fünf bis sieben Tage vor ‘Regina’, sechste Kirschwoche
- Frucht: groß (28 mm), sehr guter Geschmack, sehr fest, geringe Platzanfälligkeit, langer Stiel, gute Lagerfähigkeit
- Ertrag: hoch, regelmäßig
- Baum: mittlerer Wuchs, waagerechte bis leicht aufrechte Verzweigung
- Sonstiges: Kein Überflieger in Sachen Größe, dafür aber kontinuierlicher Ertrag bei guter Qualität. Unkomplizierter Spindelaufbau. Schöne, unkomplizierte Sorte.
- Herkunft: Deutschland
- Blüte: mittel
- Reifezeit: fünf bis sieben Tage vor ‘Regina’, sechste Kirschwoche
- Frucht: groß (30 mm), karminrot, sehr guter Geschmack, sehr fest, mittlere Platzanfälligkeit, mittellanger Stiel, sehr gute Lagerfähigkeit
- Ertrag: hoch, regelmäßig, Überbehang reduziert Fruchtgröße
- Baum: mittlerer Wuchs, schwache Verzweigung, leicht anfällig für Pseudomonas
- Herkunft: Deutschland
- Blüte: mittel
- Reifezeit: zehn Tage nach ‘Regina’, achte bis neunte Kirschwoche
- Frucht: groß (29 mm), dunkle Farbe, guter Geschmack, fest, mittlere Platzanfälligkeit, langer Stiel
- Ertrag: hoch, besser als ‘Regina’
- Baum: mittlerer bis schwacher Wuchs, waagerechte bis leicht aufrechte Verzweigung
- Sonstiges: stabile Früchte, regelmäßiger Ertrag ohne Überproduktion, gleichmäßiger Ertragsbeginn
- Herkunft: Deutschland
- Blüte: mittel
- Reifezeit: zwei bis drei Wochen nach ‘Regina’, zehnte Kirschwoche
- Frucht: groß (27 mm), dunkle Farbe, guter Geschmack, fest, mittlere Platzfestigkeit, langer Stiel
- Ertrag: hoch, besser als ‘Regina’, Überhang reduziert Fruchtgröße
- Baum: mittlerer bis schwacher Wuchs, waagerechte bis hängende Verzweigung
- Sonstiges: aufgrund des eher schwächeren Wuchses auf eine starke Unterlage zurückgreifen
- Herkunft: Deutschland
- Blüte: spät
- Reifezeit: zwei bis drei Wochen nach ‘Regina’, neunte bis zehnte Kirschwoche
- Frucht: groß (> 27 mm), dunkelrote Farbe, sehr guter Geschmack, sehr fest, geringe Platzanfälligkeit, mittellanger Stiel, gute Lagerfähigkeit
- Ertrag: hoch, regelmäßig, Früchte teils in Büscheln
- Baum: mittelstarker Wuchs, waagerechte Verzweigung, leicht anfällig für Pseudomonas
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